Eine zeitgenössische Darstellung zur großen Auswanderungswellen von 1709

Eine der wenigen Darstellungen zur Auswanderungswelle von 1709 findet sich im 1733 erschienenen neunten Teil des „Historischen Bilder-Saals“ von Andreas Lazarus von Imhof. Die 18bändige bei Seitz in Nürnberg verlegte populärwissenschaftliche Reihe diente vor allem der Belehrung und Unterhaltung der Jugend. Sie erfreute sich aufgrund ihrer anschaulich geschriebenen Texte und den mehr als 900 Illustrationen auch bei Erwachsenen großer Beliebtheit.

Imhof, Andreas Lazarus von/Nunzer Andreas: Neu-eröffneten historischen Bilder-Saals, das ist, Kurtze, deutliche und unpassionirte Beschreibung der Historiae universalis : von Anfang der Welt biss auf unsere Zeiten .̤ in ordentliche und mercksame periodos und capitul eingetheilt, darrinen die führnehmste Geschichten, Kriege, Schlachten, und andere Begebenheiten, in mehr als 1000. Kupfferstücken gar kennlich fürgestellet werden .̤ Neunter Theil: Enthaltend Die Geschichten, welche sich unter dem Glorwürdigst-regierenden Kayser Caroli VI. von dem Jahr 1723. biß auf das Jahr 1733. vornemlich in Europa, auch sonst hin und wieder, in der Welt zugetragen. Nürnberg 1735, S. 393f:

 

In den Chur-Pfältzischen Landes trug sich in vorigem und in diesem Jahr eine zu unseren Zeiten recht ungewöhnliche Emigration vieler tausend Einwohner zu, welche sich über Holland nach Engelland begeben haben, entweder daselbst, oder bey den Englischen Colonien in America ihre Versorgung zu finden, die ihnen im Vatterland gebrechen wollte. Es begunte dieser denckwürdige und von selbst genommene Auszug gantzer wiewol verarmter Familien und einzler Personen, schon im Sommer vorigen 1709ten Jahrs, und dauerte biß in Frühling 1710 fort, da man nach genauer Ausrechnung befunden haben will, dass 859 Pfältzer, 2334 Darmstädter, 1113 Hanauer, 635 Francken, 63 Maintzer, 58 Trierische, 490 aus Speyer und Worms, 81 Hessen, 125 Zweybrücker, 203 Nasasuer, 413 Elsasser, 420 Badnische, und 971 Handwercks-Gesellen darunter begriffen gewesen. Es wurde denen so Protestanten waren, ungemeine Liebe bewiesen, und sie mit vielen Unkosten, und sorgsamen Anstalten so lang unter freyem Himmel in einem Lager mit alle Nothdurfft versorget, biß man sie theils in Engelland, theils in Irrland, theils aber auch in America unterbringen kunte. Die Sachte machte groß Aufsehen allenthalben, und es stunde eine grosse Menge hin und her Wege und Reißfertig, denen erstern nachzufolgen, wo nicht der Churfürst in der Pfaltz am Unter-Rhein so wol, als in seinen Landes durchgehends Verfügung gethan hätte, dass man weiter niemand passiren lassen sollte, dergleichen ordre auch aus Engelland kam, dass man in holland keine dergleichen Personen mehr einschiffen und übersetzen mögte. Dann es äusserte sich an den meisten Emigranten mancherley Unordnung, und eine schändliche Liebe zum Müssiggang, da sie zu keiner Arbeit die man ihnen anwiese, Lust bezeigten, sondern sich Engelland und America als ein Schlaraffenland einbildeten. Dahero man ihrer gar bald überdrüssig worden, und absonderlich diese, welche Catholischer Religion waren, und dieselbe nicht ändern wollten, mit einem Zehr-Pfennig wieder zuruck gesendet hat.

 
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