Politische Auswanderung

Nach dem Machtantritt Hitlers waren all jene gefährdet, die in den Jahren der Weimarer Republik aktiv gegen den Nationalsozialismus gearbeitet hatten. Dies waren beispielsweise Politiker, Beamte, Publizisten oder andere Exponenten des kulturellen und politischen Lebens. Insbesondere gefährdet waren die Vertreter der linken Politik, also kommunistische, sozialdemokratische und gewerkschaftliche Funktionäre.

Stationen des staatlichen Terrors

Die erste Ausprägung des staatlichen Terrors zeigte sich bald nach der „Machtergreifung“ Hitlers am 30. Januar 1933 nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933. Mit der „Reichstagsbrandverordnung“, die einen Tag später erlassen wurde, wurde die Grundlage für die pseudolegale Verfolgung der Kommunisten geschaffen. Tausende politisch Aktive wurden von der Gestapo verhaftet. Auch andere Linke, z.B. von der SPD wurden teilweise verfolgt. Mit der „Reichstagsbrandverordnung“ begann für die nicht-nationalsozialistischen Politiker eine Periode der Halblegalität. Die Parteien selbst und ihre Parlamentsvertreter und Funktionäre wurden von SA-Terror, Versammlungs- und Presseverboten sowie von örtlichen Polizeimaßnahmen heimgesucht. In den folgenden Wochen wurden die politischen Parteien und die gesamte potentielle politische Opposition ausgeschaltet. Am 9. März 1933 wurden die Reichstagsmandate der KPD annulliert. Am 2. Mai wurden die Gewerkschaften aufgelöst. Stattdessen wurde die nationalsozialistische Einheitsgewerkschaft „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) geschaffen. Am 22. Juni wurde die SPD verboten. Zwischen dem zwischen 27. Juni und dem 6. Juli lösten sich die bürgerlichen Parteien selbst auf. Am 14. Juli 1933 war die nationalsozialistische Alleinherrschaft mit dem „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ zementiert und der Weg zum undemokratischen Einparteienstaat abgeschlossen.

Die erste Auswanderungswelle

Die Flucht der nun politisch Verfolgten fand zumeist über die nächsten Grenzen ins Saargebiet (bis 1935 nicht Teil Deutschlands), nach Frankreich, Holland und Belgien, Dänemark, in die Tschechoslowakei, nach Österreich und in die Schweiz statt. Als Zentrum der Exilsozialdemokratie (SOPADE) entwickelte sich Prag. Das Zentrum der Kommunisten wurde Paris. Die Auswanderung in der ersten Welle ging unorganisiert vor sich und glich einer planlosen und überstützten Flucht vor den Verhaftungen.

Die zweite Auswanderungswelle

Die zweite Auswanderungswelle setzte zur Jahresmitte 1933 ein. Die Auswanderer der ersten Gruppe hatten die Auslandsarbeit aufgebaut. Ab dem Sommer 1933 reisten nun auch zunehmend gefährdete Spitzenfunktionäre aus. Nach den Parteiverboten nahmen diese Auslandsstützpunkteden Charakter von Auslandsleitungen bzw. Parteivorständen im Exil an. Diese zweite Auswanderergruppe beanspruchte zumeist die Leitung der Parteiorganisationen im Exil, die sich aus den Angehörigen der ersten Welle gebildet hatten. Doch nicht alle politisch Verfolgten wanderten aus. Viele kämpften auch innerhalb Deutschlands im Untergrund als Teil einer illegalen Organisation gegen den Nationalsozialismus weiter.

Die dritte Auswanderungswelle

Bis in die Kriegsjahre hinein setzte sich die politische Auswanderung fort. Sie lebte von einem Zuzug ins Ausland durch gefährdete Mitglieder von Widerstandsgruppen, die im Deutschen Reich verblieben waren und dort agierten.  Das Fortführen der Politik der alten Parteien und Gewerkschaften und die Betätigung in ihrem Sinne war inzwischen zum Gegenstand rechtlicher Verfolgung geworden: Das NS-Regime terrorisierte seine politischen Gegner.

Das Verhältnis NS-Regierung und politische Auswanderung

Im Unterschied zur Auswanderung der deutschen Juden war die Emigration der politischen Flüchtlinge vom NS-Regime keinesfalls erwünscht. Man vermutete korrekterweise, dass sie sich durch die Emigration nicht nur den Verfolgungsmaßnahmen zu entziehen trachteten, sondern dann vom Ausland her die Tätigkeit gegen den Nationalsozialismus fortsetzen würden. Da Ziel war daher die politische Ausschaltung der Gegner, die Zerschlagung ihrer Organisationen und die Unterdrückung des weltanschaulichen Einflusses im öffentlichen und kulturellen Leben und die Ausübung von genügend Druck auf das Individuum, so dass es sich in gesellschaftliche Unauffälligkeit zurück zog. Die Mehrheit der politischen Auswanderer erstrebte die Rückkehr nach dem Sturz des Nationalsozialismus, da ihre Auswanderung vor allem politisch motiviert war und sich nicht gegen Deutschland an sich richtete, sondern gegen die NS-Regierung.

Wer nicht aus Deutschland auswandern konnte oder wollte, aber innerlich weiter ein Gegner des Nationalsozialismus war, wählte den Weg der sogenannten „inneren Emigration“.

Die Auswanderer

Im Unterschied zur jüdischen Auswanderung, wo vor allem mittelständische Familien versuchten, dem NS-Regime zu entkommen und dabei möglichst zusammen zu bleiben, waren die politische Auswanderer zumeist junge, unverheiratete, männliche Parteiaktivisten. Mit der Auswanderung war es zumeist nicht getan, denn die Emigranten kämpfen im Ausland meist weiter gegen das NS-Regime. Verdeckte Einsätze im Reich endeten dabei häufig unglücklich. Das Schicksal als deutscher politischer Flüchtling konnte ganz unterschiedlich aussehen. Oftmals überlebten die deutschen Emigranten als Unterstützungskämpfer in Flüchtlingsheimen. Einige kämpften auch ab 1936 im Spanischen Bürgerkrieg. Nur wenige kehrten freiwillig nach Deutschland zurück. Dort drohte die Einweisung in ein KZ. Einige entgingen der Inhaftierung in ein KZ nicht oder wurden an die Gestapo ausgeliefert. Viele gerieten nach 1940 in französische Internierung. Um dieser Internierung zu entkommen, traten manche - mehr oder weniger gezwungen - in die französische Fremdenlegion ein. Viele schlossen sich auch französischen Partisanengruppen an.

Tätigkeiten im Ausland

Die deutsche politische Emigration im Ausland stellte keine homogene Gruppe dar. Die politisch unterschiedlichen Ansichten der einzelnen Gruppen verhinderten eine übergreifende Zusammenarbeit. Einzig die Ablehnung des Nationalsozialismus und die daraus resultierende politische Aktivität einte die Exilanten im Geiste. Wie der politische Widerstand gegen das NS-Regime aussehen konnte, war ganz unterschiedlich. Über ein Netz von Grenzstellen belieferten die illegalen politischen Gruppen das Inland mit Kampfschriften. Sie verbreiteten Nachrichten über politische und wirtschaftliche Entwicklungen und versuchten, Goebbels das Meinungsmonopol in Deutschland streitig zu machen. Dies gestaltete sich jedoch ab 1935 schwer, da die Gestapo dies massiv behinderte. Der publizistische Kampf gegen das Regime brachte über 400 Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichtendienste und Rundbriefe hervor, die allesamt versuchten, die Welt über das wahre Antlitz der NS-Diktatur aufzuklären.

Weiterwanderung

Der deutsche Angriff im Westen versetzte die politische Emigration in eine Krise. Es kam zu einer Flucht der Emigranten aus ihren europäischen Zufluchtsorten zu einer Weiterwanderung nach Übersee. Wem dies nicht gelang, dem drohten Zwangsverschickungen, die Internierungen als „feindlicher Ausländer“ oder die Dienstverpflichtungen in Arbeitskompanien der Armee. Die Auslandsvertretungen der Parteien und politischen Gruppen konzentrierten sich in dieser Zeit auf Hilfsmaßnahmen für ihre bedrohten Mitglieder durch die Beschaffung von Einreisegenehmigungen, und mussten ihre politische Arbeit einstellen. Die europäischen Zentren der politischen Emigration verlagerten sich von Frankreich, der Tschechoslowakei und den Niederlanden nach Großbritannien und Schweden oder nach Übersee.

Die Sozialdemokraten verlegten ihr Zentrum von Prag zunächst nach Norwegen und dann nach Schweden. Des Weiteren fanden sich Gruppen in Kanada und Lateinamerika. Die deutschen Kommunisten emigrieren in die Sowjetunion, wie auch die übrigen kommunistischen Exilparteien es taten, die vor der faschistischen Besetzung ihrer Länder flüchteten. In den folgenden Jahren fand in Moskau die Unterwerfung der verschiedenen kommunistischen Vertreter unter die unter sowjetische Politik statt. Kleinere deutsche Splittergruppen fanden sich überall auf der Welt, so z.B. in Mexiko.

Verfasserin: Evelyn Heid

 
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