0.Konstantin Simonis Briefe aus Santa Cruz nach Briedel
Brief von Simonis aus dem Jahr 1863 von Santa Cruz, Brasilien nach Briedel
„Santa Cruz den 10 Oktober 1863
Liebe teure Geschwister,
Euren Brief vom 15. April 1963 haben wir den 29.September erhalten,,
und daraus ersehen, daß ihr noch so eurem Alter gemäß noch ziemlich bei guter
Gesundheit seit, welches uns auf innigste erfreute; Euren Brief welchen Ihr voriges
Jahr mit den Reilern für uns abgeschickt, haben wir nicht erhalten, denn die
Burschen sagten, das mit welchen Ihr euren Brief wolltet abschicken, das diese in S. Katharina
geblieben, deswegen wunderte es mich sehr, daß ihr uns so lange auf Antwort warten
ließet, worüber ich sehr ungeduldig. Zuerst muss ich euch melden, dass uns der
Herr mit riesengroßem Unglück dieses Jahr heimgesucht hat. Es ist nämlich unsere kleine
Klara ein sehr liebes munteren Kind von anderthalb Jahren den 26. Januar dieses Jahres
in einem kleinen Wasserbrunnen ertrunken, welches uns alle aufs äußerste angriff
und betrübt und mir eine tiefe Wunde verursachte.
Fürs zweite muß ich euch melden, daß unsere Tochter Rosina schon ein Vierteljahr
verheiratet ist, mit einem Jüngling Leonhard Müller mit Namen, gebürtig
Aus Wahlbach bei Simmern; Mühlmeister seiner Profession, welcher zwei Stunden von uns gelegen sich eine Kolonie schon verdingt hat; ich kann mir leicht denken
daß ihr darüber werdet große Augen machen, und sehr verwundern macht; denn
bei allem Sträuben kann man es einer nicht verhindern daß frühe Heiraten der
Jugend indem selbst die hiesigen Landesgesetzte und auch die Geistlichkeit es begünstigt,
denn die meisten Burschen heiraten hier schon mit 20 die Mädchen fangen schon mit 13 bis 17 Jahren an, denn hier ist die Jugend viel zur Reife herangewachsen, als bei euch in Deutsch-
land, denn wenn ich auch die reine Wahrheit schreibe werden ihr es kaum glauben
daß unsere Bertha ein Mädchen von 12 Jahren so groß und schwer herangewachsen
ist wie seine Mutter. Fürs Dritte tue ich euch mit Freuden melden, daß der
liebe Gott unser Gebet, unsere heißesten Wünsche doch einmal erfüllt hat,
den auf unser anhaltendes Reklamentieren soweit wir geistliche und weltliche
Behörden bestürmten konnten, den 18ten Juni zwei Geistliche an
beide Missionare aus dem Jesuiten Orden nämlich den früher benannte
H. Pater Michael Koellner, welcher aber nur einige Wochen eine
Missionsreise durch die Pikade und etliche Dienst auf den Faschianal, und
den zweiten Geistlichen einsterlippte als Pfarrgeistlichen wo dieser seinen
feierlichen Eintrittsdienst auf S. Johannes, welcher auch ist der hiesige
Kirchenpatron hielt, und dann auch feierlich die Kirche einsegnete.
Wo wir Ihn auch am selben Tage mit großer Feierlichkeit empfingen.
Dieser ist ein überaus liebenswürdiger Mann in seinem Umgange
aber auch so pünktlich streng in seinem Dienste, heißt Joseph
Stier, gebürtig aus Münster -Westfalen und hat mehrere Jahre
In Trier studiert, und kennt unseren jetzigen H. Pastor sehr gut,
und war bei dem H. Feidt in Kirchberg auf Besuch, ich bin gut be-
freundet mit Ihm, er hat mich schon öfter besucht und hat einmal unser Haus
mit einer heiligen Messe beehrt. Anfangs waren seine Predigten sehr
liebreich mahnend belehrend und tröstend, aber jetzt fängt er an, wird
mehr ernsthaft und drohend, wie der H. Brauweiler in Vergleich. Ihm
ist nicht zu mühsam, kein Wetter zu schlecht und kein Weg zu raulig
um bei der Nacht mit dem Allerheiligsten auch auf 5 bis 7 Stunde Weges die
Kranken zu versehen, wie auch seine Missionsreise und seine wöchentlichen
Schulbesuche durch die Pikaden abzuhalten, und wo verdächtige …..???
Gängen und Streitigkeiten zu beschlichtigen sind geht er ohne weiteres
in die Häuser hinein um seiner Amtspflicht nachzukommen. Jetzt sind
im bauen an einem Pfarrhaus und wenn dieses fertig ist, so kommt ein
zweiter zu ihm. Unsere Maria Tabitha ist auch zur hl. Communion
angenommen worden. Es wird euch auch interessieren zu hören sein, was
aus unserem früheren Geistlichen Pastor Traube geworden ist, dieser
sagt zu uns, er täte von uns wieder nach Deutschland reisen, machte
aber nach Leopoldo, wo man Verschiedenes von ihm erzählen hörte, da
sahen ihn aber unsere Jesuiten auf, verklagten ihn wegen seines
angeblichen Lebenswandels bei dem Hw. H. Bischof, dieser hatte ihm
nun seines Amtes exkommuniziert, nun auf äußerste entrüstet
benutzte er die hiesige Freidruckerei, und schimpfte und schmähte in
allen deutschen Zeitungen auf die Jesuiten, wie auch auf den Bischof
selbst, nun wurde er heimlicher Weise auf einmal aufgepackt und des
Landes verwiesen, wohin weiß ich nicht.
Es ist jetzt hier eine sehr geldarme Zeit, denn alle Produkte, welche
der Kolonist zu verkaufen hat, sind bis auf den geringsten Preis abgeschlagen,
die Bohnen welche in der Ernte der Sack noch 8 bis 9 Milreis oder Thl.
standen, sind jetzt nur mehr 1 Mlr. Und gar kein Handel drin, die
meisten werden an das Vieh verfüttert, der Sack sonst der Rüben??
oder 32 Pfund kostet b 9 bis 10 Milreis, jetzt nur 3 Mlr. den Tabak sonst 7 Mlr jetzt nur
3 Mlr. Darum hat auch selbst die Obrigkeit unter die Kolonisten verschiedene
Sorten baumwollene Keruna?? lassen austeilen und auch Gudig Samen, um
anderen Handelserwerb den Kolonisten dazubieten, wo wir von beiden wie
mit Tabak, wo auch noch ziemlich Handel drin ist eine schöne Anlage gemacht
haben. Und alles was wir einzukaufen haben, ist auf äußerste Teuer, der
Kaffee kostet das Pfund 12 Sgr., Blau Werktagsstoff von geringer Qualität
22 Sgr,, Katun 12 ½ Sgr., welches ist fast als Lungenzug, darum muß man nochmal
das Spinnrad ergreifen, um zu spinnen, aber wann spinnen, wo kein Winter ist, da hat
Niemand Geduld dazu darum möge man bitten, daß ihr uns etliche Monate von eurem
überflüssigen Winter uns zukommen lassen möget; wir haben aber doch
trotzdem uns Zeit abgetan und eine ziemliche Anzahl Flaschen Garn
gesponnen, welcher hier sehr gut gerät, darum möchte ich den Meister Weber
von Kostens mit einem freundlichen Gruß bitten lassen, nach altem
Brauch seine Kundschaft doch beizubehalten, und bei euch das Garn abrufen
kommen, um nur das Tuch zu machen, denn an Leinenweberei fehlt es noch hier.
Übrigens wenn man auch nichts erobern kann, ist es doch hier gegen Deutschland
ein bequemes sorgefreies Leben, denn man schwelt hier im Überfluß
von Nahrungsmitteln es kultiviert sich alles immer mehr und mehr, und alles
wird lebhafter. Es werden in unserer Pikade sein 5 Mühlen, 3 Oelmühlen
12 Schnapsbrennereien 5 Bierbrauer, wovon Christoph Agnes und Walter
Simon, beide aus Reil auch Bierbrauer, beide unser 3ten Nachbarn welche auch beide
in Begriff sind, große Tanzsäle zu bauen, um Wirtschaft und Musik zu halten, wovon
es hier nicht fehlt, Englische Künstler und Seilfänger waren auch schon hier, und selbst
am verflossenen Sonntag gab selbst die Obrigkeit hier ein großes Volksfest, wobei
als 50jährigen Andenken die Schlacht zu Leipzig soll gefeiert werden, wobei von
2 Regimentern das Musikchor aus der Stadt Rio Parto, 1oo Personen, sonst die halbe Stadt
Menschen und ihre Umgegend und aus allen Pikaden Leute hier waren, um
unzähligen Menschenmengen, wobei alle Lustbarkeiten vorgenommen wurden
nämlich die portugiesische reiterische Turnierübungen, Kurven laufen,
Ringstechen, Sackrennen, Hahnenflug?, wo immer für den Meister ein schönes
Primina ausgeteilt wurde, und das hiesige Schützenchor und Gafelerie in voller
Parade exerzierten, wobei Pulver und Lawuteion nicht geschont wurde, welches
3 Tag dauerte. Schön ist es hier dabei, daß bei all den Volksmengen aus allen
verschiedenen Ländern Deutschlands nebst den hiesigen Portugiesen noch nicht ein
einziger Streit ist vorgekommen, kein Betrunkener oder Streitmacher wird dabei geduld, denn will einer Krawal machen, so kommt gleich die Polis / Schandarm,
welcher scharfe Absicht hat, dieser darf sich einmal niedersetzten, und nimmt
ihm ohne weitere vorherige Einladung und schwere Prozessunkosten zu machen, und
sticht oder fährt ihn gleich nach Verdienst in die Kade / Gefängnis. Nach gnädigstem
Gottesdienst kam auf Anordnung unserer Vorgesetzten, die ersten Herren und Handels- und Kaufleute mit dem Schützenchor und Gaster….. mit der Regimentsmusik 22 Musikanten uns auch der Kirche
in voller Parade abnehmen und führte und auf den Lustplatz, wo ein jeder auf einem
großen Tanzboden mit vielen Fahnen garniert, frei tanzen konnte, ja unsere Vorge-
setzten versteht kein hochmütiger Stolz, als wie die Preußen, insofern machen sie einen
Bruder daraus, mit ihren Untergebenen sich zu belustigen, denn sie seiens gleich,
Ein jeder hat gleiches Recht an allen Lustbarkeiten darf mit Anstand Spiel zu nehmen.
Ich konnte aber wenig Anteil davon nehmen, weil ich über 4 Wochen mehr als gewöhnlich
an meiner alten Leberkrankheit leide.
Im Juni besuchte uns auch Sr. Exc. der preuß. Minister außerordentlicher Gesandter
Friedrich v. Eichmann und der preußische Consul um alle unsere Anliegen und
Beschwerden ihnen vorzutragen, wo wir die Ehre hatten, wo wir die Ehre
hatten daß diese mit Ihrem ganzen Zug bei uns zu Mittag speisten.
Christoph Agnes hat auch erst kurz von hier nach Reil an seine Schwiegerleute
geschrieben und glaubt einer von seinen Schwägern würde bei Ihn auswandern, wenn
dieses sollte der Fall sein, so werdet ihr es doch wohl erfahren, so möchte ich euch bitten, daß
Ihr sie ersuchen möget, wenn sie noch so viel Geld übrig hätten, uns eine große
Waffelpfanne, welche sich umschlägt mitzubringen. Wie auch ein Stück Bettbezüge
für Federn hinein zu tun, denn wir haben ziemlich Enten welche wir alle zwei
Monate ihren Flaum ausrupfen, ohne sie abzuschlachten, wovon wir unsere
Better selber machen, aber wir haben keinen guten Stoff für den Flaum hinein
Zu tun, Wir wollen hier mit Dank ihr Mühe Kosten und Fracht doppelfältig zurück
Erstatten, denn sie täten mit wie Agnes ein großen Gefallen, denn ich bin gut befreundet
mit ihm, und sind doppelt Gefattterleut durcheinander.
Ich war hier wegen Schneiders seinem Prozeß nicht in Verhör, wie ihr glaubtet, ich war
wegen sonstigen Geschäften auf dem Gericht, da war eine Vorladung für Joh. Martin Thiesen
angeschlagen, als ich diese las, fragte der Richter, ob ich ihn kenne und wüsste, wo er wohnte,
denn in St.Cruz ist er nicht wohnhaft, und als ich es bejahte, bat er mich, um für den Thiesen schwere Unkosten zu verhüten, ihm diese Vorladung da zu überbringen, um ihn wegen des Prozesses anzuhören, welches sich auch tat, Schreibet mir doch den Ausgang des Prozesses.
Johann Peter Schul ist dieses Jahr hier gestorben, und Sebastian Sehnem welcher hier die Anna Maria Rees, Witwe von Magnus Reis geheiratet hat, und Martin Kroth haben sich andere Kolonien gekauft, 13 Stunden von hier, weil ihre zu schlecht waren.
Ich muß mein Schreiben schließen, ich wünsche euch alle meine liebe teure Geschwister
Kathrina und Thabitha wie auch mein Bruder Simon ein herzliches langes Lebewohl
Und hoffe, daß dies Schreiben euch bei guter Gesundheit antreffen werde, wie es uns hier
verlässt, unser Viktor hilft dem Simon Malter an seinen Bauarbeiten, unser Bertha hat
8 Monat auf dem Fraschianal gedient, jetzt ist sie wieder bei uns, Unser Franziska geht in die
Schule, unser
Wilhelm ist jetzt bei unserer Rosina, und unser Valentin ist auch ein lieber munterer Knabe.
Meine Gattin und Kinder sind alle Gottlob noch recht gesund, ich bin noch immer sehr schwächlich
und kränklich, kann fast gar keine schwere Arbeit mehr tun, auch kann ich hier viel besser
meine Kränklichkeit abwarten, wie in Deutschland, jetzt schicke ich mich getrost ein meine
Lage
Weil wir jetzt einen deutschen Geistlichen und unsere regelmäßigen Gottesdienste haben,
unsere Bücher bekommen wir tröstlich auch aus unserer lieben unvergesslichen deutschen Heimat, unsere Gesangbücher Gebetbücher Kathechismus und ABC Bücher alle aus Fhreie?? Und wir haben auch hier Merler öfters gehabt, auch Kraacher Wein. Ich bitte Euch, es freuet mich bald wieder
einen Brief zu beantworten, mit vielen heimatlichen Nachrichten, so lang wir hier noch auf
Erden walten, lebet nochmal herzlich Wohl, bis wir uns jenseits des Grabes nach vielen über-
standenen Kreuz- und anderen widersehen werden. einen recht herzlichen Gruß
von eurem bis in den Tod an euch denkenden Bruder Konstantin Simonis.
Auch einen herzlichen Gruß an Joh. Jakob und Peter Joseph Simonis zu Pünderich ich habe herzlich Mitleid mit Peter
Joseph seinem Schicksal er möge sich in Gott trösten, wir müssen uns ja alle wieder trennen, Grüßet mir auch
wieder alle Freunde zu Briedel, Pünderich Burg und Bullay, besonders sei mir herzlich gegrüßt
mein Vetter Gottfried Sehnem, was macht sein Bruder Joh. Peter, mein Pate Konstantin, wie auf
meine Jungendfreunde Michel Feidt und seine Brüder Johann Walter, Joh. Philip Binninger Johann Rees Martin Rees.
Auch einen Gruß von August Rafeler. Exerciermeister und Unteroffizier an seinen Lehrling Martin Jakobi
Sei mir auch herzlich gegrüßt mein Vetter Joh. Jakob Melchiors, wie auch von deiner Mutter und Geschwister
Und Geschwägern welche noch alle gesund sind, sie hätten dir auch jetzt geschrieben aber sie erwarten täglich
die Vollmacht für dich, von Port Allegre vom preußischen Consul, welche sie zur Stempelung und Bescheinigung
dahin abgeschickt haben, wo sie dir mit werden schreiben welches mir doch zu lang würde abzuwarten.
Gruß von Kathrina, Franziska Simonis, Gruß von unserem unbekannten Vetter Leonhard Müller.
Viktor Simonis, Bertha, Maria Tabitha, Franziska Simonis”
Randbemerkung Seite 4:
Valentin Goldschmidt läßt seine Mutter und Geschwister grüßen
Und läßt fragen, ob sie seine zwei Briefe welche er an seinen Bruder Johann
geschrieben hat, nicht erhalten hättet und ob sie ihm noch nicht geschrieben haben
und er verlanget schmerzlich auf Antwort. Sie hätten noch keinen Brief erhalten.