Johann Krämer aus Sao Leopoldo an seine Familie in Heimersheim

Colonia Sanct Leopoldo in der Nähe der neuen Stadt Sanct Leopoldo ohnweit der Seestadt Porto Alegre in der Provnz Rio Grande do Sul, im Kaiserreich Brasilien, im Welttheil Süd-Amerika, geschrieben auf meinem Landgut auf dem Kamp oder dem freien Lande am Dienstag, den 15. März 1836. 

Herzvielgeliebtester Schwager und Bruder, sammt der liebwerthen Schwägerin und Euren herzlieben Kindern, sowie an alle unsere bis zum Tode vielgeliebten uns ewig unvergeßlichen Blutsverwandten, Freunde und Bekannten im vaterländischen Ort Heimersheim!
Die Hochgelobte Allerheiligste Dreifaltigkeit wolle Dich und Sie alle in dem besten Wohlergehen und erwünschter Gesundheit das Leben bis zur glücklichen Ankunft dieses Briefes erhalten haben, und ferner noch lange Zeit segnen und beglücken mit Erdenfreud! Und dereinst begnadigen mit ewiger Glückseligkeit! Dies ist nun schon der 6te Brief, den ich an Dich, mein liebster Schwager, geschrieben und von hier abgesendet habe, ohne auch nur eine Antwort darauf zu erhalten. Dies betrübt mein und Deiner Schwester Herz unaussprechlich, da wir doch so liebendgern endlich mal Nachricht und Auskunft, wie es Euch allen noch ergeht in ferner deutscher Heimath, zu haben wünschten! So ist dies nur die einzige Veranlassung unseres Schreibens und bitte ich Dich nochmals herzlieber Schwager, so sehr wie nur ein Freund den andern bitten kann, mir doch diese einzige Gefälligkeit, sobald wie nur möglich ist, zu erzeigen.
Es ist dir durch meine früheren Briefe schon bewusst dass ich Johannes Krämer seit dem Jahre 1828 mit deiner Schwester Jakobina Müller verheiratet bin, welche Wittwe des meuchelmörderischer Weise hier im Jahr 1827 ums Leben gekommenen seligen Valentin Heinick, und Mutter von vier Kindern war; Gott hat unsere Ehe noch mit 3 Kindern gesegnet und diese 7 Kinder sind mit uns noch gesund und wohl am Leben, doch ein kleiner Sohn, erst vier Wochen alt, wurde uns vom Herrn wieder durch den Tod entrissen und am vorigen Samstag Abend beerdigt! Wohl ihm, weil wir glauben, dass Gott ihn lieber gehabt und von machen Bedrängnissen der Erden befreiet hat. Daß auch mein Vater und die Mutter meiner Frau längst in dem Herrn entschlafen und uns in die Ewigkeit vorangegangen sind, habe ich bereits geschrieben und melde es nochmals. Meine Geschwister und Schwager sind gleich uns hier in einem guten Wohlstande! Peter ist in dem Besitz der Mühle nebst den Ländereien, die mein seliger Vater besessen hat, ist verheirathet; und meine Schwester Anna Maria ist verehelicht mit Johann Jäger, auch aus dem Hessen Darmstädtischen gebürtig, wohnt in der Neuen Stadt Sanct Leopoldo und treibt Schiffahrt. Andreas ernährt sich sehr gut mit der Musik; auch Schwager Theobald mit Frau sind recht wohl und geht ihnen sammt allen Heimersheimern so wohl, dass sie ihren reichlichen Lebensunterhalt haben; ich habe einen Kram und ernähre micht mit dem; sonstige Neuigkeiten kann ich vor diesmal nicht schreiben, bis ich erst mal die Freude gehabt habe, von Dir und unseren Anverwandten einen Brief zu erhalten, dann werde ich mehr schreiben, alles was Ihr nur wissen wollt.
Ich und meine Frau grüßen vieltausendmal aus ganzer Seelen an Dich vielgeliebter Schwager Johann Georg Müller mit Familie; an die Schwiegerin Katharina, an Johannes Stark und seine Familie; an Nickolaus Regner, an Johannes Kehl, meinen guten Camerad, nebst dessen Bruder, sowie an alle unsere vielgeliebten Freunde und Bekannten grüßen wir herzlich; auch grüßen wir freundlich dem Herrn Bürgermeister in Heimersheim.
Wiederholt bitte ich Dich, mein Schwager, dass Du so gütig wollest sein, mir sogleich nach dem Empfang dieses Briefs wieder zu schreiben und mir alles hauptsächlich merkwürdige, was in der langen Zeit unserer Abwesenheit in vaterländischer Heimat und in dem Familienkreise und in Heimersheim sich neues zugetragen hat, uns zu schreiben. Mach die Han[dschrift?] um deinen Brief an mich mit höflichster Bitte der gnädigsten Hierherbeförderung: An Seiner Excellenz dem Königlichen Preußischen Generalkonsul Herrn Freiherrn Carl Wilhelm von Theremin, in Rio de Janeiro; postfrei bis nach der Hanseestadt Hamburg.
Ich empfehle Dich, liebster Schwager und Schwägerin, mit Kindern in des allgegenwärtigen Gottes Schutz! Mit Segen begleite er Euch alle auf jeden Euerer Wegen! Lebet alle immer und ewig wohl! Wir wünschen Euch allen das ersprießliche Gute an Leib und Seel, was Euer Herz sich nur selbst wünschen kann. Lebet wohl, bis wir uns vielleicht noch hier auf dieser Welt oder über dem ewigen Sternenzelt unzertrennlich wieder sehen!
Ich verbleibe bis in den Tod
Dein getreuer Schwager
Gez. Joahnn Krämer

Ich habe einen Kramlanden und alles zu verkaufen, was einer nur bebehrt.
Nachträglich ist es doch noch der Mühe wert, Dir vielgeliebter Schwager und Euch allen in Heimersheim die Meldung zu thun, die Ihr auch vielleicht durch die Zeitung erfahren habt! Dass in hiesiger Provinz und deutschen Colonie schon vor ein paar Monaten eine sich weit verzweigende Revolution zwischen den Landeseingeborenen gegen die aus Portugal entstanden ist, die zwar bis heute noch keinen Eindruck und sonstigen Einfluss auf die deutschen Colonisten gehabt hat, als daß die zu verkaufenden Waren in Porto Alegro sehr wohlfeil sind und alles was man wieder einkaufen muss, theuer ist. Doch kann man noch nicht wissen, wie es mit den Deutschen wird; ob nicht auch wir in unserem Eigenthum feindselig gestört werden!

 

Redaktionelle Bearbeitung: Björn Effgen

 
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