Harry und Max Hart aus Eppelsheim - Begründer des Bekleidungsunternehmens Hart, Schaffner & Marx, Chicago. Pioniere der amerikanischen Bekleidungsindustrie
Harry Hart wurde am 17. Februar 1850 als Sohn von Jacob W. Herz (geb. 1800) und dessen Frau Mina (geb. Straus) in Eppelsheim in Rheinhessen geboren, sein Bruder Max Hart drei Jahre später am 15. Juni 1853. Der Familienname „Herz“ wurde später in den USA in „Hart“ anglisiert.
Im Jahr 1858 wanderte die Familie nach Nordamerika aus und siedelte sich in Chicago, Illinois, an. Jacob Hart betrieb hier eine Metzgerei. Die beiden Söhne besuchten in Chicago eine öffentliche Schule und arbeiteten nebenher als Boten für ein Kaufhaus und für das väterliche Metzgereigeschäft. Ihren hier verdienten Lohn legte ihr Vater ihnen wohlbedacht für spätere Unternehmungen zurück.
Mit einem Startkapital von immerhin 2.700 $ konnten die Brüder daher im Jahr 1872 unter dem Namen „Harry Hart & Brother“ in der Innenstadt von Chicago in der State Street ihr erstes eigenes kleines Geschäft für Herrenbekleidung gründen. Denn Bekleidung, so ihre findige Idee, würde nach dem Großfeuer von Chicago im Jahr 1871, bei dem ein großer Teil der Einwohner sein Hab und Gut verloren hatten, dringend gebraucht werden. Die Rechnung ging auf. Die Brüder waren so erfolgreich, dass sie bereits drei Jahre später ein paar Straßen weiter ein zweites Geschäft eröffnen und hier mit der Herstellung von Anzügen für andere Einzelhändler beginnen konnten.
Harry Hart war zweimal verheiratet, er heiratete im Jahr 1873 Adelaide Cline (1855-1900) und hatte mir ihr vier Kinder, Carrie G. Hart (geb. 1876), Marion Hart (geb. 1879), Jacob W. H. Hart (1883–1936) und Lillie Hart (geb. 1882. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau Adelaide im Alter von nur 45 Jahren heiratete er 1904 - an seinem 54. Geburtstag am 17. Februar - eine jüngere Verwandte, die Enkelin seiner Tante Regina Herz bzw. die Tochter seiner Cousine Theresa Spiegel, Sarah Liebenstein (1869 -1949), für die es ebenfalls die zweite Ehe war. Ihr Mann Adam Wald (geb. 1853), mit dem sie eine Tochter, Hilda (1889 -1978) hatte, war im Alter von 48 Jahren im 1901 verstorben. Die Ehe mit Harry Hart blieb kinderlos.
Max Hart heiratete 1882 Rebecca Strauß (geb. in Iowa 1863, Tochter des aus Sachsen stammenden Abraham Strauß und seiner Frau Ernestine Leopold) und hatte mit ihr drei Kinder, James M. Hart (geb. 1890), Abraham Hart (geb. 1894) und Maxine Hart (geb. 1901).[Anm. 1] Seit seiner Zeit als Bote, als er für den Vater immer Etiketten mit den Anschriften der Kunden auf die auszuliefernden Päckchen kleben musste, ließ Max Hart die Sache mit den kleinen Schildchen nicht mehr los. Er erkannte die große Bedeutung, die die Etiketten für die Ware hatten. Seine Geschäftsidee war es nun, einen Schneider zu bitten, Markenzeichen mit dem Namen „Hart“ in die zu verkaufenden Kleidungsstücke einzunähen. Schnell sprach es sich in der Geschäftswelt herum, dass diese Markenzeichen enorm verkaufsfördernd für die zu vertreibenden Produkte waren. Schon kurze Zeit nach der Einführung des „Hart“-Labels bekundete ein Kaufmann aus dem Süden des Bundesstaats Illinois sein Interesse, die Kleidung der Firma Hart vertreiben zu wollen. Der Grundstein für den Großhandelszweig der Firma war damit gelegt.
Im Jahr 1879 traten der Schwager Levi Abt (1836-1922), der die zweitälteste Schwester Henrietta Hart (1845-1903) geheiratet hatte und der aus Ottweiler bei Neunkirchen[Anm. 2] stammende Marcus Marx (1840-1921), der 1869 mit einer weiteren Schwester der Harts, Jennie Hart, die Ehe eingegangen war, in das Geschäft ein und die Firma hieß nun Hart, Abt und Marx.
Wegen des günstigen Standorts mitten im Geschäfts- und Finanzviertel von Chicago, dem Chicago Loop, liefen die Geschäfte gut und die Umsätze stiegen. Auch der Großhandel blühte und konnte schon bald dem Einzelhandel den Rang ablaufen. Die Firma Hart, Abt und Marx hatte sich inzwischen einen Namen gemacht und erhielten den Auftrag, Militärbekleidung zu produzieren. Mit diesem Firmenzweig wiederum wurde der Grundstein gelegt für den Vertrieb der Kleidung „von der Stange“ („off-the-rack-suits“, „ready-to-wear“), d.h. der nicht auf Bestellung geschneiderten, sondern im Geschäft tragefertig angebotenen Konfektionsware; - ein Meilenstein im Bekleidungswesen dieser Zeit.
Doch mit noch weiteren Neuheiten konnte die Firma Hart, Abt und Marx aufwarten, und zwar u.a. mit der Einführung von Stoffmustern. Bis dahin hatten Handelsvertreter große Schrankkoffer mitschleppen müssen, um Kunden auf dem Land und Einzelhändlern die Kollektion vorzustellen. Mit den kleinen Musterkoffern war nun alles sehr viel einfacher geworden.[Anm. 3]
Ein viertes Novum war die Einführung fester Ladenpreise. Für jeden Kunden galten bei Hart, Abt und Marx die gleichen Verkaufspreise, unabhängig von deren Einkommen oder deren Bekanntheitsgrad zu den Ladenbesitzern oder der Herstellerfirma.
Der Mitbegründer Levi Abt verließ nach acht Jahren das Unternehmen und eröffnete zusammen mit seinen beiden älteren Söhnen Solomon und Herman Levi, die auch einige Zeit bei Hart, Abt & Marx gearbeitet hatten, ein eigenes Geschäft, „L. Abt & Sons.“
Im Jahr 1906 wurde bei Hart Schaffner & Marx ein besonderes Größensystem eingeführt, es wurden Anzüge für Personen besonderen Körperbaus produziert: Anzüge für schlanke, für groß gewachsene, für kleine, für untersetzte, für rundliche etc. Herren, insgesamt für 14 verschiedene Körperformen. Auch Männer, die keine Idealfigur hatten, konnten nun - zum gleichen Preis - zur Kleidung von der Stange greifen und waren nicht wie bisher auf teure maßgeschneiderte Anzüge angewiesen. Aber noch unter anderen Aspekten galten Hart, Schaffner & Marx als „The Firsts“[Anm. 4] - die Ersten - die etliche Neuerungen in der Bekleidungsindustrie durchsetzten. Sie waren es, die die „tropical weight wool suits“ - leichte Sommeranzüge in Wollqualität aus feinem Kammgarn - sowie die „zip-off-trousers“ – Hosen mit abtrennbaren Hosenbeinen - einführten. Des Weiteren gehörten sie zu den ersten Textilunternehmen, die seit 1912 Kamelhaarmäntel anboten und die die Farbechtheit ihrer Kleidungsstücke garantierten (1915).
1911 wurde die Firma Hart Schaffner & Marx mit einem Kapital von 20 Mio. $. als Aktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragen. Zu ihrem Leitungsgremium gehörten Harry Hart als Präsident der Gesellschaft und Max Hart als Vizepräsident; weitere Direktoren waren Marcus Marx, Mark W. Cresap, A.G. Becker und Moritz Rosenthal. Kopf der Gesellschaft als Geschäftsführer und Finanzdirektor aber war der Werbefachmann Joseph Schaffner.[Anm. 5]
Ihre im eigenen Unternehmen gewonnene Erfahrung, wie wichtig im Berufsalltag das Wissen um betriebs-, volks- und weltwirtschaftliche Zusammenhänge sei, bewog das Unternehmen Hart Schaffner & Marx, seit 1904 als Förderer ökonomischer Literatur aufzutreten und die Jugend zu ermutigen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Ein fünfköpfiges Professorenkomitee schlug zu bearbeitende Themen vor und es wurden Preise von insgesamt 2000 $ ausgelobt sowie die Druckkosten der später veröffentlichten Arbeiten getragen.[Anm. 6]
Harry Hart nahm sich trotz seiner weitreichenden geschäftlichen Verpflichtungen als Firmenchef Zeit für sein ehrenamtliches Engagement in der jüdischen Gemeinde und in wohltätigen Organisationen. Er war 1902-1906 Vizepräsident der „Sinai Congregation“, Mitglied des „Standard and Hamilton Club“, Direktor des jüdischen Altenheims und lange Jahre Vizepräsident der „Associated Jewish Charities“ (Vereinigung der jüdischen Wohlfahrtsorganisationen) von Chicago. Er zeigte außerdem großes Interesse für die Arbeit der Settlement-Bewegung,[Anm. 7] eine ausgehend von der Unterstützung und Eingliederungshilfe der Immigranten verschiedener ethnischer Gruppen in den 1880er Jahren initiierte moderne Form der Nachbarschafts- u. Armenhilfe sowie der Erwachsenenbildung unterprivilegierter Bevölkerungsgruppen.
Harry Hart verstarb im achtzigsten Lebensjahr am 20. November 1929, sein Bruder Max war mit 74 Jahren bereits ein Jahr zuvor, am 22. Februar 1928 gestorben.[Anm. 8]
Verfasserin: Martina Graf, Seeheim
Redaktionelle Bearbeitung: Christoph Schmieder
Anmerkungen:
- Vgl. ancestry.com Zurück
- Im Saarland, damals zu Preußen gehörend Zurück
- Vgl. http://vintagefashionguild.org/label-resource/hart-schaffner-and-marx/; http://famousbrandnames.blogspot.de/2007/02/hart-schafner-marx.html Zurück
- „We´re a company of Firsts“, heißt es im aktuellen Video zum 125-jährigen Firmenjubiläum der Firma. „Hart Schaffner Marx: An American Company“; vgl. http://blog.hartschaffnermarx.com/page/3 Zurück
- zu seiner Biographie vgl. eigenen Eintrag auf dieser Website Zurück
- Vgl. z.B. die Arbeit von 1907: http://archive.org/stream/causeandextentof025159mbp#page/n0/mode/2up Zurück
- Vgl. ancestry.com Zurück
- Vgl. ancestry.com Zurück