Die Auswanderung nach Spanien 1767-1769

Von Nicola Veith

Heutzutage pilgern tausende Deutsche jedes Jahr auf die spanischen Inseln, um dort ihren Urlaub in Wärme und Komfort zu verbringen. Auch ihre Landsleute vor fast 250 Jahren glaubten, unter der Sonne Andalusiens warte ein „Paredeiß“ auf sie. In Realität trafen sie in den spanischen Kolonien der Sierra Morena und Andalusiens auf eine Wildnis und schwer bebaubares Land. In den ersten Jahren der von der spanischen Regierung nur unzureichend vorbereiteten Kolonisation fielen zahlreiche Auswanderer Epidemien zum Opfer.

Die spanischen Kolonien zogen in den Jahren 1767 bis 1769 rund 8.000 Deutsche, Schweizer, Niederländer, Österreicher, Italiener und Franzosen an. Grundlage dieser mitteleuropäischen Auswanderungsbewegung war ein Projekt Karls III. von Spanien, das ganz im Zeichen der Aufklärung entworfen wurde.

1. Das Kolonisationsprojekt

Internationale Reisende des 18. und 19. Jahrhunderts sahen in den Kolonien der Sierra Morena und Andalusiens ein Modellbeispiel für die Bewertung der aufklärerischen Ideologie und Politik sowie ihrer Realisationen; ganz im Gegensatz zum Unmut vieler Territorialherren, die zahlreiche Untertanen an Spanien verloren.

Karl III. (1759-1788) war der aufgeklärteste und einer der produktivsten spanischen Herrscher aus der bourbonischen Linie. Mit der intellektuellen Elite Spaniens führte er wirtschaftliche, soziale und politische Reformen durch. Kameralismus, Zentralisierung und Modernität sollten den spanischen Verwaltungsapparat erneuern. Ein starkes Feudalsystem kennzeichnete die spanische Agrarverfassung, die den Bauern je Region unterschiedlich hohe Abgaben, Steuern und Abhängigkeiten abverlangte. Das Land gehörte hauptsächlich der Krone, dem Klerus und dem Adel, wodurch sich große Latifundien bildeten. Die Begünstigung der Viehzucht durch die früheren Regierungen hemmte die landwirtschaftliche Entwicklung. Das Gebiet um die Sierra Morena war im 18. Jahrhundert eine der rückständigsten Gegenden Spaniens. Die ländliche Bevölkerung Andalusiens besaß fast keinen eigenen Boden und lebte von Pachtungen, dem ausgedehnten Gemeindebesitz und der Arbeit auf den herrschaftlichen Gütern.

Der Gedanke der inneren Kolonisation durchzieht die spanische Landes- und Agrargeschichte seit der Reconquista. Das Kolonisationsprojekt Karls III. versuchte, mehrere Schwachstellen der spanischen Wirtschaft und Gesellschaft zu optimieren. Ziel war es, entvölkerte Landstriche Südspaniens mit einer idealen, kulturell niedrigstehenden bäuerlichen Gesellschaft zu besiedeln und in den wieder erschlossenen Gegenden Ackerbau, Viehzucht und Handwerk zum Nutzen des Staates zu betreiben. Bei diesem streng utilitaristisch ausgerichteten Projekt bot sich

den Reformern die Gelegenheit, die Agrarverhältnisse einer größeren Gemarkung nach ihren Ideen einzurichten. Die Kolonisation unterlag einem detaillierten Konzept, das von der ökonomischen, kulturellen und religiösen Entwicklung bis zu den Maßnahmen der inneren Verwaltung nichts dem Zufall überlassen wollte.

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2. Die Werbung

Kriege, religiöse Diskriminierung, Überbevölkerung, wirtschaftlicher Notstand und örtlich begrenzte Katastrophen wie Brände, Missernten und Hungersnöte waren Ursachen für den Entschluss vieler Auswanderer, die heimatliche Erde zu verlassen und an einem fernen Ort auf bessere Lebensbedingungen zu hoffen. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts an dominierte die Migration innerhalb Europas. Preußen, der Habsburgerstaat und Russland warben für ihre Kolonisationsprojekte.

Somit musste mittels überzeugender Werbung ein Teil des Menschenstromes, der aus den deutschen Territorien emigrierte, nach Spanien gelenkt werden. Diese Aufgabe übernahm der Bayer Johann Kaspar von Thürriegel. Im April 1767, zwei Wochen nach Vertragsabschluss mit der spanischen Krone, warb er mit seiner ersten Flugschrift „Glücks-Hafen oder Reicher Schatz-Kasten“ in Mitteleuropa für die Auswanderung in die Sierra Morena.

Thürriegel verpflichtete in kurzer Zeit eine Reihe von Unternehmern und Subunternehmern, die Anwerbung, Unterhalt und Transport der Kolonisten von Mitteleuropa nach Spanien übernahmen. Die Werber rekrutierte er größtenteils aus dem Militär. Teils wurde die Auswanderung nach Spanien auch von Geistlichen vorangetrieben.

Die Werbeschriften sind charakteristisch für Thürriegel und zeugen von seiner Bildung, schriftstellerischen Gewandtheit und Kenntnis der Lage der einfachen Landbevölkerung, die er mit der Garantie von Menschenrechten und wirtschaftlichem Wohlstand lockte. Im „Glückshafen“ kontrastierte er den bedrückenden Zustand in der Heimat mit den verlassenen Landstrichen Spaniens.

Die Auswanderungswilligen sollten sich in Schlettstadt im Elsass versammeln und den Weg in die Hafenstädte Marseille oder Sète einschlagen. Die spanische Werbung hatte manche Vorteile zu bieten: Für die Wanderung zu Fuß von Schlettstadt nach Sète wurde mit 131 Stunden, für die Überfahrt nach Málaga mit vier bis zwölf Tagen gerechnet. Schon für den Reiseweg und während der Wartezeit an den Häfen erhielten die Auswanderer Geld, keine geringen Beträge, geht man von der Zielgruppe der Bauern und Handwerker aus. Auch stellte die Erleichterung der Eheschließung ein Lockmittel dar. Als eigenständiger Haushalt kamen die Kolonisten in den Genuss eines eigenen Hauses, eines Grundstücks und von Vieh.

Thürriegel verschleierte jedoch die Altersvorgaben. In den Kolonien wurden keine Personen über 65 Jahren angenommen und ältere Personen ohne Beruf durften generell nur als Großeltern von Familien mitreisen. Auch wies er nicht explizit darauf

hin, dass außer Bauern und Handwerkern keine Berufsgruppen aufgenommen würden und auch keine Protestanten akzeptiert waren. Über die zu erfüllenden Pflichten äußerte sich Thürriegel nur vage. Er erwähnte, dass die Kolonisten verpflichtet seien, beim Aufbau ihrer Häuser zu helfen, verschwieg aber, dass sie zuvor das Gebiet roden und beim Aufbau und der späteren Instandhaltung der öffentlichen Einrichtungen mitwirken müssten.

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3. Die Auswanderung aus der Kurpfalz

Von den deutschsprachigen Territorien waren Südwestdeutschland und der Rhein mit der Pfalz, Württemberg, Baden, den Bistümern Mainz, Trier, Speyer und vor allem dem Bistum Konstanz, dem Elsass und der Schweiz der ergiebigste Rekrutierungsraum Thürriegels.

Ähnlich wie in Amerika stellten die Pfälzer auch in Andalusien einen großen Teil der deutschsprachigen Auswanderer. Im Oktober 1767 reagierte die Kurpfälzische Regierung erstmals auf Thürriegels Werbeschriften. Thürriegel oder seine Werber sollten ergriffen werden und die dem Verbrechen angemessene Leibes- oder Lebensstrafe erhalten. Im kurpfälzischen Unteramt Seltz hatten die Auswanderungswilligen versucht, ihre Äcker zu verkaufen. Aus Mannheim wurden die örtlichen Behörden aufgefordert, den Abzug unter Strafe zu verbieten. Neun der auswanderungswilligen Untertanen wandten sich mit einem Bittgesuch an die Regierung. Sie wiesen darauf hin, dass schon des Öfteren Bürger aus Seltz nach Ungarn oder Pennsylvania emigriert seien, da Seltz den freien Ein- und Abzug erlaubt hätte. Nun seien jedoch drei Auswanderungsverbote nach Spanien eingegangen. Im Dezember 1767 wanderten drei Familien heimlich aus. Ab diesem Zeitpunkt liefen nachts in und um die Stadt und Dörfer Patrouillen, um weitere Emigranten zu verhaften. Wenige Tage später zogen weitere sechs Familien heimlich ab. Das Unteramt Seltz verhörte sowohl die Nachtwächter als auch die Bürger, die in jener Nacht Patrouille gelaufen waren. Die noch zurückgebliebenen Auswanderungswilligen wurden vernommen, um herauszufinden, wer sie zur Auswanderung verführt habe. Zwei Kesseldorfer ergriffen nach dem Verhör die vielleicht letzte Chance und zogen noch in derselben Nacht ab – ebenfalls ungehindert. Vermutlich verhielt sich die Patrouille parteiisch, vielleicht waren es Verwandte, oder sie ließen die Armen bewusst abziehen, um sie loszuwerden. Im Juli 1768 wurde das Verbot der spanischen Werbung für die Kolonien erneuert.

An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert entwickelte sich die Pfalz von einem Einwanderungs- zu einem klassischen Auswanderungsland. Die kurpfälzischen Beamten waren sich bewusst, dass arme Leute vom spanischen Kolonisationsprojekt angezogen würden. 13 Untertanen aus Seltz und Kesseldorf, die eine Auswanderung vorhatten, wurde persönlich die Strafe verkündet, die ein heimlicher Abzug nach sich ziehen würde. Im Protokoll sowie im Nachlassverzeichnis wird die Auswanderungsmotivation deutlich: Alle Genannten waren arm oder verschuldet, einige wenige hatten neben Haus und Hof auch eine Anzahl an Äckern vorzuweisen, andere besaßen keine Felder zum Bebauen. In ihrem Gesuch an die Regierung erläuterten neun Bürger aus Seltz ihre soziale Situation und baten in Hinblick auf ihren miserablen wirtschaftlichen Zustand um Erlaubnis zum Abzug. Der Amtmann vor Ort informierte nach deren späterer heimlicher Auswanderung die Regierung, dass das von den Spanienauswanderern zurückgelassene Gut zur Bezahlung der Gläubiger nicht reiche.

Noch heute sind Spuren der kurpfälzischen Auswanderer aus Seltz und Kesseldorf in den spanischen Archiven zu finden.

4. Reise und Ankunft in den spanischen Kolonien

Die Auswanderer fanden sich an den vereinbarten Sammelpunkten, vor allem in Schlettstadt, ein. Eine gedruckte Marschroute in französischer und deutscher Sprache half den Auswanderern, sich auf der Reise zu den Häfen mit der ihnen unbekannten Aussprache der Städte zurechtzufinden. Sie erleichterten auch die von Thürriegel engagierten Kommissionäre an den jeweiligen Anlaufstellen zu finden. Diese gaben den Auswanderern das Reisegeld bis zum Hafen und erteilten weitere Informationen zum Weg. Die Route zum Mittelmeerhafen Sète lief von Schlettstadt über Belfort, Besançon, Lyon und Montpellier. Die Auswanderer konnten auch den Landweg nach Pamplona wählen. Er führte von Koblenz über Trier, Metz, Toul, Châlons, Meaux, Paris, Orléans, Tours, Poitiers, Bordeaux und Bayonne. Die Kolonisten klagten später über die schlechte Bezahlung und unzureichende Hilfeleistung durch Thürriegels Männer.

Bei der Ausreise traten Komplikationen auf. Da in Schlettstadt ein Thürriegelscher Bevollmächtigter saß, wurden die Schiffe an den Übersetzstellen am Rhein angewiesen, niemanden zu befördern, der sich entweder nicht legitimieren konnte oder dessen Pass auf Ungarn ausgestellt war. Vor allem Frankreich und die Schweiz erschwerten die Durchreise.

Die via Schiff Anreisenden machten 90 Prozent der Kolonisten aus. Ursprünglich sollten ein Schiff etwa 150 Auswanderer fassen. Tatsächlich stieg die Passagierzahl bis zu 335 an.

5. Die Aufnahme der Auswanderer an den Ankunftsorten

Schon im August 1767 meldete Thürriegel, dass sich 1.200 Kolonisten auf dem Weg befanden. Im September trafen verschiedene Familien in Almagro ein, andere im Oktober in Almería. Wer die Kontrolle an den Ankunftsorten bestand, erhielt eine Empfangsbescheinigung. Diese wurde wie ein Reisepass genutzt und berechtigte den Auswanderer, zu den Kolonien zu gelangen. Deshalb wurden auch Listen über die abgewiesenen Auswanderer geführt.

Bis zur Beendigung der Werbung im Juli 1769 nahmen die Kolonialbehörden 7.321 Auswanderer auf. Die erste Einwanderungswelle fand im Oktober 1767 statt, danach flaute die Bewegung ab, was eventuell als Reaktion auf die Maßnahmen der jeweiligen Territorialherren im Oktober zu interpretieren ist. Nach den Schiffslisten von Almería lag der Höhepunkt der Spanienauswanderung im Januar 1768. Dies überschneidet sich mit der Auswanderungsbewegung aus der Kurpfalz. Ein weiteres Wiederanziehen der Auswanderung ist im Mai 1769 zu spüren.

Die in den Häfen angelangten Auswanderer erhielten zwei Tage Erholung, bevor sie den Weg ins Kolonisationsgebiet antraten. Der Unterhalt ging zu Lasten des spanischen Königs.

6. Der Ansiedlungsprozess

Auf die frühe Ankunft der ersten Kolonisten im September 1767 waren die Behörden wenig vorbereitet. Da zur Urbarmachung des Kolonisationsgebietes mehr Personen als die ersten Kolonisten notwendig waren, schickte das Kriegsministerium einige Truppenkontingente der in Spanien dienenden Schweizerregimenter. Die Kolonisten mussten neben dem Hausbau auch Straßen befestigen und eine Wasserversorgung einrichten. Aus Mangel an anderen Unterkünften errichtete man in Hinblick auf den nahen Winter Barackenlager. Die provisorischen Unterkünfte förderten die Verbreitung von Krankheiten.

Da in den Kolonien der Sierra Morena bald Platzmangel herrschte, wurden die im Oktober 1768 ankommenden Auswanderer in das neue Kolonisationsgebiet bei La Parilla geschickt, mit denselben Grundvoraussetzungen wie in der Sierra Morena: Eine ungerodete Gegend und fehlende Unterkünfte.

7. Der "Fuero de Población" – das Sonderrecht der Kolonien

Die Ausarbeitung der notwendigen Instruktionen von spanischer Seite mündete im Juli 1767 in die Erlassung des sogenannten "Fuero de Población", das Sonderrecht der Kolonien.

Im Fuero war festgelegt, dass die Siedlungen direkt an oder in der Nähe der "Caminos Reales" errichtet werden sollten, um die Produktion leichter abzusetzen und den Straßenverkehr zu sichern. Am 10. Oktober 1767 erhielten die ersten Kolonisten in La Carolina ihre Grundstücke. Auch Santa Elena und Guarromán zählten zu den ersten Siedlungen. Später entstanden Carboneros, Venta de los Santos, Navas de Tolosa, El Rumblar, Arquillos und Aldeaquemada. Im Mai 1768 wurde die Kolonisation auf die verlassenen Gegenden vor und hinter Écija, la Parilla und la Monclova, ausgedehnt. Die dortigen Hauptsiedlungen hießen La Carlota, La Luisiana, Fuente Palmera und San Sebastián de los Ballesteros.

Jeder Kolonist sollte ein Landlos (genannt "suerte") von 50 Fanegas Fläche erhalten, was etwa 33 Hektar entsprach. Der Großteil der Kolonisten lebte direkt auf ihren Grundstücken und nicht in den Ortschaften.

Pablo Antonio José de Olavide y Jáuregui wurde als „Superintendente“ die vollkommene Autorität für das Kolonisationsprojekt übertragen. Er unterstand nur dem Rat im ersten Saal der Regierung und in wirtschaftlichen Fragen der "Superintendencia General de la Real Hacienda", der obersten Aufsichtsbehörde der königlichen Finanzverwaltung. Die Hierarchie war stark zentralisiert und die Befehle liefen von Olavide über die zwei „Subdelegados“, einer pro Kolonisationsgebiet, an die Kolonisten.

Drei bis fünf Dörfer sollten laut Fuero eine Gemeinde bilden, wobei diese Zahl im Laufe der Jahre weit überschritten wurde. Vom Hauptort einer Gemeinde (genannt "capital") hingen Dörfer (genannt "aldeas") ab. Der Hauptort bildete das Zentrum für die Versorgung. Dort siedelten sich die Handwerker an. Die Gemeinde erhielt einen Pfarrer, einen Bürgermeister und einen Gemeinderat, der sich aus den Ortsvorstehern zusammensetzte. Die Ämter waren wählbar.

Alle Mitglieder einer Gemeinde sollten gemeinsam als eine Art Wiedergutmachung die Kirche errichten, das Pfarrhaus, das Gemeindehaus und das Gefängnis, ebenso die Öfen, Mühlen und andere Werkstätten mit Wasser- oder Windkraft. In der Zeit, die für Rodung und Anbau benötigt wurde, zahlten die Kolonisten keine Abgaben an die Staatskasse. Die Kolonisten hatten mindestens zehn Jahre am Ort zu bleiben, bei Missachtung drohte die Strafe des Militärdienstes. Auch nach Ablauf der zehn Jahre mussten sie das Haus und ihr Grundstück in Ordnung halten, widrigenfalls würden sie an einen anderen Kolonisten vergeben werden. Bei Ableben ohne Erben fielen sie an die Krone zurück, um an neue Siedler verteilt zu werden.

8. Soziale und wirtschaftliche Vorkehrungen im Fuero

Bei den Einrichtungen sozial-karitativen und pädagogischen Charakters zeichnete sich deutlich der Einfluss der Aufklärung auf die Kolonisation ab. Alle Kinder waren verpflichtet, die Grundschule zu besuchen. Es waren aber keine höheren Schulen erlaubt, denn Ackerbau und Viehzucht sollten der Nerv eines jeden Staates sein.

Jeder Familie wurden Geräte in Aussicht gestellt, die sie zum Bebauen der Erde benötigte, ebenso das Vieh. Eine Rinderweide pro Gemeinde, die Zone des Bewässerungsgeländes, wenn es dieses gäbe, und das Land für Pflanzungen sollten als Gemeindeinstitution allen Kolonisten zur Verfügung stehen. Die Gebiete altspanischer und neuer Siedlungen sollten streng getrennt bleiben, um den Neid der Einheimischen zu verhindern und vielleicht auch um die Ergebnisse des Kolonisationsprojektes nicht zu verfälschen. Es blieb nicht nur bei Ackerbau und Viehzucht. Nach 1769 beschloss die Kolonialleitung, die Ansiedlung von Gewerbe zu begünstigen.

9. Die Religion und die Assimilierung der Kolonisten

Auch im wichtigen Aspekt des Glaubens musste die Kolonialverwaltung stark improvisieren. Es mangelte schon an Gotteshäusern selbst. Die Gründung von Klöstern oder anderen religiösen Gemeinschaften waren durch den Fuero verboten, um ähnliche Besitzverteilungen wie im übrigen Spanien zu verhindern. Alles Spirituelle sollte von den Pfarrern ausgehen und alles Temporäre von der Justiz und dem Rathaus. Angesichts des Versprechens, dass den Kolonisten zu Beginn Geistliche ihrer Sprache zur Seite stehen sollten, bat die spanische Regierung 1769 um die Aussendung von deutschsprechenden Kapuzinern in die Kolonien.

Neben den demografischen, administrativen und finanziellen Problemen der Kolonien entstanden zwischenmenschliche, ausgelöst durch den Kapuziner Romualdo de Friburgo. Er begann einen Kampf um die Erhaltung der deutschen Sprache und Gebräuche, als ab 1770 die große Masse an spanischen Kolonisten eintraf, um die durch Epidemien dezimierte Zahl der ausländischen Kolonisten zu ersetzen. So wurden die Ausländer in die Minderheit gebracht und die Gefahr einer schnellen Assimilierung stieg. Zwischen Romualdo und dem Superintendente Olavide kam es zu starken Spannungen. Romualdo provozierte die Konfrontation der katalanischen Gruppe mit der deutschen in La Carolina. Durch angebliche Denunziationen Romualdos musste Olavide die Kolonien verlassen. Ab 1777 wurden zunehmend spanische Priester in den Kolonien eingesetzt, um die Kolonisten zu vereinen. Die Verurteilung Olavides durch die Inquisition war eine Sensation und stellte die gesamte Reformbewegung in Frage.

10. Weiterentwicklung und Ende der Kolonien

Die Entwicklung dieser groß angelegten Kolonisation zog sich über fast 70 Jahre hin, bis die Siedlungen im Jahr 1835 ihre kolonialen Sonderrechte verloren. Die Kolonisation scheiterte in ihrem von den Reformern angedachten modellhaften Charakter. Die ausländischen Kolonisten sollten der spanischen Bevölkerung als Vorbild dienen. Diese Vorstellung musste wegen der Reduktion der ausländischen Kolonistenzahl durch Epidemien, Ausweisung, Flucht und Rückwanderung in die Heimat und der damit einhergehenden Aufnahme spanischer Kolonisten aufgegeben werden. Auffallend an der Auswanderung in die spanischen Kolonien war der schnelle Assimiliationsprozess. Die Auswanderer gingen innerhalb weniger Jahrzehnte gänzlich in der einheimischen Bevölkerung auf. Die ausländischen Sprachen, Bräuche und Kulturen verloren sich mit wenigen Ausnahmen vollkommen. Nur wenige Bräuche sind erhalten geblieben, dazu zählt das im restlichen Spanien unübliche Bemalen von Ostereiern.

Noch heute, auf dem Weg von Madrid nach Granada werden kleine andalusische Ortschaften passiert, die bis an den Horizont von Ölbaumpflanzungen umgeben sind. Dem Reisenden fallen die schlichten, sich stark ähnelnden weißen Häuser auf, die sich an die schnurgeraden Straßen reihen. Beim Blättern in Telefonbüchern unscheinbar klingender Orte wie La Carolina, Santa Elena oder Guarromán stößt man auf ungewöhnliche spanische Nachnamen wie Teclemayer Neff, Smit Ruf Payer, Rodríguez Wigner oder Gómez Alpert. Manche von ihnen sind Nachfahren ehemals deutscher Bauern und Handwerker, die vor fast 250 Jahren nach Spanien ausgewandert waren.

Literatur

  • Baier, Hermann: „Mit Thürriegel in der Sierra Morena". In: Mein Heimatland. Badische Blätter für Volkskunde, Heimat- und Naturschutz, Denkmalpflege, Familienforschung und Kunst. Nr. 1 (1937). S. 80-82.
  • Capel, Manuel: La Carolina, capital de las nuevas poblaciones. Un ensayo de reforma socio-económica de España en el siglo 18. Jaén: C. S. I. C., Instituto de Estudios Giennenses 1970.
  • Hacker, Werner: Auswanderungen aus Rheinpfalz und Saarland im 18. Jahrhundert. Stuttgart: Theiss 1987.
  • Niemeier, Georg: Die deutschen Kolonien in Südspanien: Beiträge zur Kulturgeographie der untergegangenen Deutschtumsinseln in der Sierra Morena und in Niederandalusien. Hamburg: Behre 1937 (Reihe Ibero- Amerikanische Studien; Nr. 10).
  • Schmid, Alois: „Spanien: Johann Kaspar von Thürriegel (1722-1795) und seine Kolonie in der Sierra Morena". In: Schmid, Alois / Weigand, Katharina (Hgg.): Bayern – mitten in Europa. Vom Frühmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. München: Beck 2005. S. 228-241.
  • Veith, Nicola: Spanische Aufklärung und südwestdeutsche Migration. Auswandererkolonien des 18. Jahrhunderts in Andalusien. Kaiserslautern: Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde 2020.
  • Veith, Nicola: „Verbote, Verhöre und heimlicher Abzug: Restriktive Maßnahmen in der Kurpfalz und Baden-Durlach gegen die Auswanderungsbewegung nach Spanien in den Jahren 1767–1769.“ In: Taddei, Elena/Müller, Michael/Rebitsch, Robert (Hgg.): Migration und Reisen: Mobilität in der Neuzeit. Innsbruck: Studien-Verl. 2012 (Innsbrucker Historische Studien; 28). S. 323-335.
  • Veith, Nicola: Mithin seind wir in einem so ellenden Stand das Gott sich unser erbarmen solle - Der Ruf nach Süden: Soziokulturelles Profil, Ansiedlung und Akkulturation deutscher Spanienauswanderer im 18. Jahrhundert (Magisterarbeit an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2010).
  • Weiß, Joseph: „Johann Kaspar Thürriegel und die bayerische Kolonie an der Sierra Morena". In: Forschungen zur Geschichte Bayerns. Bd. 13 (1905). S. 103-105.
  • Weiß, Joseph: „Zur Entstehungsgeschichte der durch Joh. Kaspar Thürriegel eingeführten deutschen Kolonie an der Sierra Morena". In: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland. Nr. 138 (1906). S. 733- 755, 813-834, 910-922.
  • Weiß, Joseph: Die deutsche Kolonie an der Sierra Morena und ihr Gründer Johann Kaspar von Thürriegel, ein bayerischer Abenteurer des 18. Jahrhunderts: ein Beitrag zur Geschichte unseres Volkstums im Auslande. Köln: Bachem 1907 (Reihe Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im Katholischen Deutschland; Nr. 1).
  • Zbinden, Karl: „Die schweizerische kolonisatorische Auswanderung von 1767/69 nach der Sierra Morena in Spanien". In: Zeitschrift für Schweizerische Geschichte. Nr. 26 (1946). S. 1-77.

Verfasserin: Nicola Veith

Redaktionelle Bearbeitung: Yves V. Grossmann und Christoph Schmieder

Zuletzt geändert: 24.06.2020

 
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