Neubraunfels, d. 10.Mai 1848.

Lieber Bruder!

Da ich im Begriffe bin einen Brief an Vater abgehen zu lassen so kann ich nicht unterlassen auch ein paar Zeilen an Dich beizulegen. Da Ihr so lange ohne Nachricht von mir waret so habt Ihr gewiss geglaubt ich sey nicht mehr bei Leben. Viel hat zwar nicht gefehlt so hätte ich im vorigen Jahre als wir hier ankamen dass zeitliche quittiert; doch es sollte noch nicht seyn, ich habe mich jetzt wieder ganz erholt und hoffentlich die größten Leiden hier überstanden. Durch unsere verkehrten Reiseanstalten bekam ich bei unserer Ankunft dahier das Fieber, was mich hart mitgenommen. Dann war für nichts gut gesorgt, kein gutes Obdach für mich, wohl aber für die Darmstädter welche krank lagen, keine Pflege, keine besondere Kost, ich habe während 1 Monat ich hier krank lag, nichts besonders als Wassersuppe bekommen, an Rindfleisch oder was ähnliches war nicht zu denken, während die Hl. Im Krankenzimmer Überfluss daran hatten. Dann als wir von hier nach dem Liano abgingen, war zwar ein Krankenwagen (dem Namen nach) hergerichtet, der aber so schwer mit anderer Fracht beladen war daß am dritten Tage schon die Achse brach, nun war ich wieder genöigt, so gut es ging mich zu Fuße nachzuschleppen und die Folge war, daß ich das Fieber zum zweiten male bekam. Nun denke dir die Nächte unter freiem Himmel zuzubringen, die Kost bestand aus ranzigem rohen Speck verdorbenem Zwiback und Kaffee! Schlechtere Anstalten zu einer so langen Landreise bei dieser drückenden Hitze, wo kein Einwohner nicht einmal 1/4Stde Weges zu Fuß geht, sind mir noch nicht vorgekommen. Dann mussten wir den ganzen Winter über noch in elenden Schilfhütten zubringen. An dem Lügengewebe was uns Doctor Herf in Galveston vormachte – daß bereits 10 Neger vorausgegangen wären um uns Blockhäuser zu bauen u. Land umzubrechen, etliche tausend Schafe und anderes Vieh bereits angekauft und hinauftransportiert sey etc. – war alles nichts. So las uns derselbe hier bei unserer Hinaufreise eine seinen Lügenprodukte vor, welches er im Begriffe war nach Deutschland abzusenden um allda in ein öffentliches Blatt einrücken zu lassen, worin er sagte, daß die Gesellschaft bereits am Liano angekommen, Häuser, Mühlen etc. gebaut, beschrieb die Gegend so malerisch schön und fruchtbar, schilderte alles so einladend, daß man hätte glauben sollen halb Deutschland würde sich veranlaßt fühlen herüber zu siedeln, während wir als wir oben ankamen noch keine Überfahrt über den Fluss finden konnten, und noch 2 Tage lang suchen mussten um einen schicklichen Überfahrtspunkt zu finden und dann den ersten besten Platz zu unserer Ansiedelung nahmen, anstatt vorher einen guten Fleck auszusuchen. Dann hat man unterwegs die besten Arbeitsleute, besonders Zimmerleute, wegen nichtssagender Ursachen verabschiedet, und diese Leute ihrem Schicksale überlassen; diese waren zwar viel besser daran unten im Lande zu bleiben, denn da hatten sie sehr guten Verdienst, allein es ist dies doch das größte Unrecht von der Welt so zu handeln, diese Leute durch die prahlerischen Versprechungen mit herüber zu locken und dann mir nichts dir nichts fortzuschicken. An tüchtige Ökonomen hat man in Deutschland nicht gedacht, die meisten Mitglieder sind sozusagen verdorbene Studenten und ähnliche Leute, welche unter sich genau bekannt und am Ende den Raub teilen werden. Die meisten Fremden sind bereits ausgetreten und es werden diesen Herbst wenn die Erndte eingethan noch mehrere abgehen. Wenn das Land großen Wert hätte, so hätte es der Veren nicht fahren lassen. Es wurde neulich gerichtlich verhandelt und dem Verein die Aufgabe gestellt, dass wenn er im Besitz bleiben wollte, er binnen 8 Monaten alle seine Schulden hier bezahlen müßte, die Leute welche er bis Oktober im vorigen Jahre engagiert sofort hinaufbringen und noch ein Jahr verköstigen müsse, welches er aber wahrscheinlich nicht angenommen, denn die Regierung ließ vor kurzem bekannt machen, daß, wer sich ausweisen könne, unter dem Schutze des deutschen Adelsvereins unter Versprechen von Ländereien bis letzen October herüber gekommen zu seyn, müsse sich bei einem eigens dazu angestellten Comissaire welcher nach Neubraunfels und Friedrichsburg kommt, melden, wo er ein Certificat über das ganze Land (nämlich das Doppelte was der Verein versprochen) erhält und eingetragen wird, er muß sich aber verpflichten in 2 Jahren oben ein Blockhaus gebaut und etwas Land umgebrochen und eingefenst zu haben, dann erst bekommt er den Besitztitel. Ich würde mir diese 320 Acker Land (ungefähr 500 Morgen) gerne zu erhalten suchen, wenn es mir mögliche wäre, allein meine Mittel reichen nicht hin dies zu thun. Wenn Deine Trabanten etwas erwachsener wären, würde ich Dir den Vorschlag machen mir ein Paar mit dem nötigen Fond herüber zu schicken und sie könnten es später für sich behalten wenn es ihnen Vergnügen machte Ökonomie zu treiben. Wenn man sich auch nur 2 Jahre da aufhalten will, so ist es nachher Eigentum und man kann es wieder verlassen. In späteren Jahren bekommt es auf jeden Fall Werth. Nach den Versicherungen von Leuten welche kürlich daherkamen soll es kürzlich viel geregnet haben u. die Erndte gut stehen. Zur Viehzucht ist es sehr gut geeignet, die Weide vorzüglich. Ich bepflanze hier ein paar Gärten u. kann ziemlich Mais machen, er steht sehr schön, ist bereits so hoch wie ich. Kartoffeln, welche ich im halben März gelegt sind so dick wie ein starkes Hühnerei, Gurken sind im vollen Blühen und haben schon angesetzt, es gibt davon hier eine Menge, von 5 bis 6 Ländern kann man einen Karren voll sammeln in manchen Jahren, sowie von allen Kürbis u. Melonenartigen Gewächsen. Weniger gut gedeihen unsere deutschen Kräuter u. Gemüsearten, doch kommen sie auch fort, werden aber bald hart. Bohnen aber blühen und reifen den ganzen Sommer durch. Das einträglichste hier bei der Ökonomie ist die Viehzucht, wer darauf etwas verwenden kann, findet seine Rechnung dabei. Hier in Braunfels haben die geringsten Leute 6 bis 8 Kühe, welche sie aber den gnazen Winter hindurch nicht zu sehen bekommen, denn durch die Entfernung der Weide verlaufen sich dieselben öfters 30 bis 40 Meilen von hier u. erst das Frühjahr wenn sie gekalbt haben werden sie eingetrieben, das Kalb zu Hause angebunden, wo dann die Kuh täglich kommt um es saufen zu lassen, und dann melkt man die übrige Milch noch ab. Kürzlich waren wilde Pferde (Mustang) hier zum Verkauf, dieselben werden aus Mexiko gebracht und sind sehr billig, das Stück von 3 bis 30 Dol., wenn dieselben gut ausfallen so ist was daran zu profitiren, denn wenn sie gut sind werden sie mit 30 bis 50 Doll. bezahlt. Da hier beinahe kein bares Geld ist, so wurden die meisten gegen Kleidungsstücke und Gewehre eingehandelt. Wenn die Weide nicht so entfernt wäre, hätte ich mir auch einen erstanden. Was giebt es denn bei Euch Neues? Nach den hiesigen Zeitungen wäre beinahe ganz Deutschland zu Republiken geworden. Schreibe mir bald recht viel über diese Umwälzungen; wenn es sonsten nur ruhig dabei zugeht und nicht viel Bürgerblut fließt u. Raub u. Plünderungen vorkommen. Als Apotheker mich hier zu etablieren, dazu sind keine Aussichten, denn es sind bereits 2 hier, in einem Städtchen was halb soviel Einwohner als Wörrstadt hat und jeder Arzt hat das Recht Medicamenten selbst zu dispensiren. Die hiesigen Ärzte haben auch nicht viel zu thun, von ihrer Praxis können sie nicht leben. Es giebt sehr wenig Kranken, im Verhältnis viel weniger wie bei Euch. Wer herüberziehen will u. irgend ein Geschäft hat muß sich nothwenidg aufs Englische legen, hier in Braunfels geht es zwar so an, allein an jedem andern Orte in Texas ist es absolut nöthig, denn gerade die Amerikaner sind die wohlhabende Klasse u. ist bei ihnen noch etwas zu verdienen. Schreibe mir bald u. viel Angenehmes u. grüße mir Deine Frau u. Trabanten recht herzlich

Dein Bruder A. Köppel

Nach oben

Redaktionelle Bearbeitung: Björn Effgen

 
Hinweis: Diese Webseite wird vom IGL auch Jahre nach Abschluss des Projekts weiterhin zur Verfügung gestellt. Die unten angezeigten Inhalte sind aber veraltet und spiegeln möglicherweise nicht den aktuellen Forschungsstand wider. (Klicken Sie auf diese Meldung, um sie auszublenden.)