Neubraunfels, d. 23. April 1848
Lieber Vater und Geschwister!

Meine im Jan. an Sie abgeschickten Briefe durch Herrn von Grewitz (ein Vereinsbeamter, welcher damals nach Deutschland reisen wollte, aber jetzt noch in hiesiger Gegend sein soll) werden Sie wohl noch nicht erhalten haben? Ich will deshalb nicht säumen, Sie von meinem Aufenthalt Thun und Treiben in Kenntniß zu setzen. Ich habe mich bereits im Jan. von unserer Gesellschaft getrennt sowie fast die Hälfte der Mitglieder sich durch die schlechte Behandlung und dadurch, daß sich diese H. das uns in Deutschland gegebene Versprechen nicht gehalten und ferner halten wollten, uns dazu gezwungen fühlten. Man hatte in Deutschland jedem Mitglied 320 Acker Land versprochen, wie wir hier in Neubraunfels ankamen wurde jedem ein Vertrag zur Unterschrift vorgelegt, wonach er sich verpflichtete die Hälfte von dem Lande abzutreten, dieses sollte Eigenthum der Gesellschaft bleiben und sofort angebaut werden, und zwar wurde das Capital, welches uns der Verein zum Ansiedeln gab, dazu verwendet. Diese Ländereien wurdem einem Mitglied als Eigenthum zugeschrieben und wir hatten für unsern Arbeitslohn nichts in Anspruch zu nehmen als den Unterhalt! Wenn ein Mitglied nach 3 Jahren austräte 1/3, nach 5 Jahren 2/3 des Ertrags von dem angebauten Lande. Nun ist es hier jedermann bekannt, daß das Land nur dann Werth bekommt, wenn es angebaut ist, mithin sollten wir blos die Lastthiere machen um einigen dieser H. schöne Farmen herzurichten, und wennn dieses geschehen, konnten wir wieder von vorn anfangen und unsere 160 Acker in Arbeit nehmen; die 30.000 fl. welche wir vom Verein bekamen, sind jetzt schon beinahe verausgabt und nur noch 3000 fl., übrig, wir bekämen also davon nichts mehr zu unserer eignen Ansiedlung. So wurde hier bei Neubraunfels eine Strecke Land von einigen hundert Acker gekauft und ebenfalls von einer Anzahl unserer Leute bearbeitet und v. diesen Capital verwendet, welches einem andern Mitglied auf seinen Namen geschrieben ist. Mündlich gab man uns die Versicherung, daß es ebenfalls für die Gesellschaft angebaut werde. Eine herrliche Methode, sich schöne Güter in Texas herzustellen und zu erwerben! Dann erklärten diese H. öffentlich, daß die 30.000 fl., welche der Verein unserer Gesellschaft zur Ansiedlung gegeben ihnen gehörten und sie könnten laut Vertrag mit dem Adelsverein beliebig damit verfahren. An Rechnungsablage ist da nicht zu denken. Spieß, ein Hauptmitglied, welcher zugleich als General-Comissaire beim Verein angestellt ist, geht flüchtig. Man hatte ihm in Deutschland die Veraltung der Farm Nassau, welche dem Verein gehört, versprochen. Nun hatte aber H.v. Mäusebach diese Farm unterdessen an einen andern Farmer vermiethet und Spieß wollte ihn mit einer bewaffneten Bande vertreiben, er setzte sich zur Wehr, und so blieben einige Todten auf dem Platze, der Prozeß wurde ihm gemacht und nur gegen eine sehr hohe Caution blieb er bis jetzt auf freiem Fuße. Nun wurde er im Maerz vorgeladen, erschien aber nicht und geht bis jetzt noch flüchtig. Derselbe hat auch den Rest unseres Capitals noch in Händen. Das Land am Liano wo wir ansiedelten, ist schlecht, meistens Sandboden, der Holzwuchs ganz gering. Regen hatten wir bis Januar beinahe gar keinen und überdem liegt es in sehr großer Entfernung von hier. 130 Meilen (beinahe 80 Stunden) ist von Niemandem noch bewohnt, nur von herumstreifenden Indianern öfters besucht, welchen auch nicht allen zu trauen ist, denn es fallen von Zeit zu Zeit Mordthaten vor, man muß immer bewaffnet ausgehen und überdem alles enorm theuer, so daß sich von den angesiedelten Friedrichsburger 30 Familien, welche nach uns hinaukamen, nur wenige werden halten können, wenn sie nicht eine sehr gute Erndte machen. Mehrere Familien sind bereits wieder zurückgekehrt und bebauen ihre 10 Acker in Friedrichsburg, welche ihnen der Verein gegeben hat, da er sie nicht gleich hinauf führen konnte bei ihrer Hierherkunft. Ebenso haben die hiesigen Emigranten auch nur 10 Acker u. 1 Stadtloos bekommen. Diese Leute, besonders die Vermögenden, hätten besser gethan sich weiter unten im Lande anzukaufen, dann wären sie jetzt schon gemachte Leute. So aber haben sie ihr weniges Vermögen durch den theuren Lebensunterhalt dahier zugesetzt und bis jetzt noch wenig selbsten angebaut; fast aller Mais wird hier noch von Colorado bezogen und der Buschel (60 Pfund) mit 1 1/2 Thlr (3fl. 45 x r) bezalt. Überhaupt ist hier noch alles sehr theuer. Das u Speck kostet 30 x r, Waitzenmehl 12 bis 14, Schnitzen 30, Käse 30 bis 36, Butter 1 fl., Milch der Schoppen 10 bis 12 x r, ein Ey 2 ½, Zucker 30, ein Kistchen Zündhölzchen 15 (bei Euch kaum 1 Kr.), eine gewöhnliche Kafeetasse 36 u.s.w. Ich wünschte Hannchen und Karolina eine Stora hier, sie würden gewiss bessere Geschäfte machen. Die Storleute hier nehmen über die Hälfte Provit. Dazu kommt noch, dass hier beinahe gar kein baar Geld kursirt, meistens Vereinsanweisungen wofür man nur in einigen Storen etwas bekommt. Beim Geldwechseln gegen baares Geld bekommt man nur die Hälfte dafür. Diese Anweisungen sind auch Ursache, daß ich noch hier sitze. Ich hatte nämlich in der Voraussicht, daß ich bei unserer Gesellschaft durch das schurkische Benehmen einiger Mitglieder nicht bei ihnen aushalten könnte mich entschlossen abzugehen, ließ in Friedrichsburg einen Theil meiner Effekten versteigern um Reisegeld zu bekommen und die theure Fracht zu ersparen, wo ich einen Erlös von 100 Dol. (250 fl.) hatte. Damit wollte ich nach den Vereinigen Staaten. Ich bekam aber lauter Anweisungen, wofür ich hier kein Geld bekam, indem bei der Vereinskasse nie welches vorrätig ist. Ich war daher gezwungen hier zu bleiben, miethete mir ein Logis mit Garten, welchen ich diesen Sommer bepflanzen will und wozu das Wetter bis jetzt vorzüglich ist. Wir haben ziemlich viel Regen jetzt, ich habe bereits blühende Bohnen, Salat, Radieschen etc. Habe aber erst im März anfangen zu pflanzen. Man ißt hier schon Bohnen, Erbsen, Kartoffeln und dergleichen, wer früh gepflanzt hat. Unsere deutschen Küchengewächse gerathen nicht jedes Jahr, nur bei nasser Witterung. Dagegen gerathen Gurken, Melonen, Quaches, Eier- und Aepfelmelonen, Bohnen, süße Kartoffeln oder Batates, unsere deutsche Kartoffel weniger und nur wenn sie im Jan. oder Febr., sogar schon im Herbst gesetzt wird, wo sie dann bis April, längstens Mai reif ist. Die Meinigen im März gesetzten stehen schön und können noch etwas geben. Man bezahlt die Setzkartoffeln mit 15 Kr. das Pfund, ebenso die Batates. Dann spielt hier der Mais od. Welschkorn eine Hauptrolle und die meisten Gärten sind noch damit bestellt. Tabak und Baumwolle gedeihen vorzüglich. Letztere ist von wunderschöner Weiße u. Glanz; man hat auch eine gelbe Sorte. Zucker und Reis werden nur an der Seeküste u. im untern Lande angebaut. Dazu braucht man Neger u. ein großes Betriebskapital. Weitzen und Roggen wurden dieses Jahr versuchsweise hier angebaut u. versprechen viel. Ich habe mir hier in der Nähe der Stadt 10 Acker Land gekauft, den Acker zu 6 Dollar, um nur mein Papier los zu werden, werde es aber nicht in Anbau nehmen können, denn der Acker kostet 6 bis 7 Dollar umzubrechen u. dann ist kein Holz mehr in der Nähe der Stadt, um das Land einzufensen. Jedes 100 Fensriegel kostet 2 Dol. Fuhrlohn. Ich brauchte demnach mindestens eine Summe von 100 bis 150 Dol. Wenn bis 2 bis 3000 Fensriegnel rechne um dieses in Stand zu setzen u. dann musste ich die Fensriegel noch selbst schlagen und setzen. Der Ertrag eines solchen Stück Landes ist groß, wenn die Erndte geräth, 30 bis 50 Buschel per Acker, so daß die Kosten öfters in 1 Jahr herauskommen. Wer ansiedeln will muß besonders beim Ankauf des Landes auf guten Boden, auf gesunde Lage, Holz und Wasser sehen. Und wer eine Familie zu unterhalten hat und sich einigermaßen etwas bequen einrichten will, bedarf eines Capitals von 4 bis 5000 fl.; denn Ackergeräthe u. Handwerker sind sehr theuer. Das Land steigt auch im Preise. Er muss sich mit den nötigen Zug- und andern Hausthieren versehen, sich mindestens auf 1 Jahr verproviantiren können, und zwar bringen die Farmer ihren Proviant gewöhnlich aus den Seestädten mit, wo man sehr billig einkauft. Wer es kann, hält sich auch ein paar Neger. Ein guter kostet 6 bis 800 Dol. Dann kann man, wenn man eingerichtet ist, ein herrliches, sorgenfreies Leben führen. Das Klima ist, die Sommermonate ausgenommen, wo es ziemlich heiß ist, sehr angenehm und obgleich es im Winter öfters des Nachts gefriert, so ist es bei Tage doch sehr schön und manchmal drückend heiß. So hatten wir diesen Winter des Nachts Eis, 7 Grad Kälte und bei Tag 20 Grad Wärme. Nur die Norder sind unangenhem, halten nur einige Tage an. Was macht Christian mit seiner Familie, hat er noch immer viel zu thun? Wann dessen Trabanten etwas stärker geworden, soll er sie mit einigem Vermögen herüberschicken, wo sie sich dann selbst mit der Zeit versorgen können. Wenn man hier nur einmal festsitzt, die ersten Jahre durchkommt beim Ansiedeln, dann hat man gewonnenes Spiel. Vieh vermehrt sich schnell und ist einträglich, Weide genug vorhanden. Das Land wird in einigen Jahren auch, daß es alles trägt. Man kann sich seine Einrichtungen selbsten machen und alle Jahre mehr Land anbauen. Die ersten Jahre sind aber mit vielen Anstrengungen aller Art verbunden. Dazu kommt, daß man das Klima nicht gleich gewöhnt ist und einige Jahre vergehen, bis man die Arbeit gehörig verträgt. Die fremde, ungewohnte Kost setzt einem auch zu, denn wenn man kein angebautes Land kauft, kann man das erste Jahr nicht viel mehr als Mais pflanzen u. muss eine ganz einfache Lebensweise führen. Speck, Maisbrod u. Kaffe spielen die Hauptrollen. Wer kein guter Schütze ist, lebt öfters unter den Hirschen ohne einen in die Küche zu bekommen. Die Sämereien, welche ich mit hierher brachte, sind mir fast alle verdorben. Das erste Jahr hatten wir kein bebautes Land und das 2te Jahr waren sie verdorben. Meine Reben hatten sich gehalten bis hierher u. ich konnte für`s Stück ½ Dol. bekommen, durch mein Kranksein aber verdarben sie fast alle bis wir an den Liano kamen, indem ich nicht darnach sehen u. sie begießen konnte. Wenn der viele Wind den Reben nicht schadet, so zweifle ich auch gar nicht, daß nicht ein vorzüglicher Wein gewonnen wird. Man hat bereits hier Anlagen gemacht u. in einigen Jahren wird man sehen wie er gedeiht. Wie ich aus hiesigen Zeitungen vernommen, haben sie einige Unruhen in Deutschland gehabt. Gott wolle geben, dass der Schwindel nicht weiter um sich greift. Was machen denn alle unsere lieben Angehörigen, sind Sie noch wohlauf? August wird bei den fordauernd hohen Fruchpreisen, welche sie noch haben sollen, gute Geschäfte machen. Ist Wilhelm noch in Paris? Wie geht es Christian? Hat er noch eine gute Praxis? Und Carl und Lorchen? Schreiben sie öfters? Lebt letztere glücklich bei ihrem Manne? Hannchen und Caroline werden wohl noch gute Geschäte machen, wenn`s Geld nicht sehr rar bei ihnen ist durch die theuren Jahre. Die Kartoffelseuche soll nicht nachgelassen haben. Und Sie, lieber Vater, erfreuen sich gewiß noch einer festen Gesundheit? Der Raum gebiethet mir zu schließen und indem ich Euch Alle recht herzlich grüße muß ich zugleich bitten, mir recht bald und viel zu schreiben… ich wahrscheinlich bis Herbst von hier weg nach den Vereinigten Staaten…

Ihr Sohn und Bruder

A.Koeppel

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Redaktionelle Bearbeitung: Björn Effgen

 
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