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Die Auswanderung aus Kirchberg im Hunsrück

1259 verlieh der Graf von Sponheim Kirchberg das Stadtrecht. Damit ist Kirchberg die älteste Stadt des Hunsrücks, in deren mehr als 750-jähriger Geschichte auch die Auswanderung, vor allem im 19. Jahrhundert, eine gewisse Rolle spielte. Dabei präsentiert sich Kirchberg als typisches Beispiel für die Auswanderung aus dem Hunsrück, wo Brasilien in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, die USA in der zweiten Hälfte das bevorzugte Ziel der Auswanderer waren.[Anm. 1]

Nachdem Kirchberg seit dem 12. Jahrhundert im Besitz der Grafen von Sponheim gewesen war, wechselte es nach deren Aussterben 1437 häufig den Besitzer. Im dreißigjährigen Krieg besetzten die Spanier elf Jahre lang – von 1620 bis 1631 – den Hunsrück. 1673 und 1689 eroberten und plünderten die Truppen Ludwigs XIV. Kirchberg. 1708 wurde schließlich die vordere Grafschaft Sponheim, zu der Kirchberg gehörte, zwischen der Kurpfalz und Baden aufgeteilt. Kirchberg fiel an Baden. 1794 besetzten erneut französische Truppen die Stadt, die 1796 an Frankreich abgetreten wurde. 1816 fiel die etwa 1300 Einwohner zählende Stadt[Anm. 2] an Preußen und wurde ein Amt des Kreises Simmern. Seit der Verwaltungsreform von 1969 gehört Kirchberg zum Rhein-Hunsrück-Kreis.[Anm. 3]

Die ersten bekannten Auswanderer verließen Kirchberg um 1767, wobei es sie vor allem nach Ungarn zog. Ungefähr 30 Personen verließen die Stadt mit diesem Ziel. Im 19. Jahrhundert rückten dann Nord- und Südamerika sowie Afrika in den Mittelpunkt, wobei die Auswanderung wohl hauptsächlich aus wirtschaftlichen Motiven erfolgte. Zahlreiche Bäcker aus der Stadt suchten ihr Glück zudem in den Jahren 1863 bis 1886 in London, ein Trend, der auch im nahen Simmern anzutreffen war. Die wirtschaftliche Situation der Kirchberger besserte sich in den 1870er Jahren, so dass die Auswanderung ab dieser Zeit erheblich abnahm.

Insgesamt wanderten nach Angabe Karl Fallers von 1767 bis 1945 210 Personen aus Kirchberg aus.[Anm. 4] Nach den von Clifford Neal Smith erstellten Auswanderungslisten waren es im 19. Jahrhundert gar nur 110 Auswanderer, wobei Zwei nach Brasilien gingen, Zwölf nach London und 96 nach Amerika bzw. Nordamerika.[Anm. 5] Eine neuere Untersuchung ergab jedoch allein für die Auswanderung nach Brasilien aus den Gemeinden der Bürgermeisterei Kirchberg in den Jahren 1823 bis 1871 eine Zahl von 360.[Anm. 6]

Schon seit 1303 lebten auch Juden in der Gegend von Kirchberg. Über die frühe jüdische Gemeinde ist nur sehr wenig bekannt. Ein gesichertes Bild liegt erst für das frühe 19. Jahrhundert vor. 1820 lebten 58 Juden in Kirchberg, die vor allem als Vieh- und Pferdehändler tätig waren. Diese Zahl stieg bis 1856 auf 96 an, verringerte sich dann allerdings, weil etwa 50 Personen in die USA auswanderten.[Anm. 7] Zur Zeit der NS-Diktatur wanderten die Kirchberger Juden, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügten aus. Ziele waren zunächst Holland, Belgien, Luxemburg, die Schweiz  sowie Köln und Düsseldorf, wobei von dort häufig die Weiterwanderung  nach Nord- und Südamerika oder Palästina erfolgte.[Anm. 8] Mindestens 70 Juden blieben jedoch und fielen der Vernichtung durch die Nazis zum Opfer.[Anm. 9]

Bearbeitung: Christoph Schmieder

 

Verwendete Literatur:

  • Effgen, Björn: „Ein Paradies, wo Milch und Honig fließt“. Auswanderung nach Brasilien aus dem Kreis Simmern 1823-1871. Unveröffentlichte Staatsexamensarbeit. Mainz 2010.
  • Faller, Karl: Kirchberg, älteste Stadt des Hunsrücks. Kirchberg 1974.
  • Regge, Carla: Chronik der Verbandsgemeinde Kirchberg im Hunsrück. 1793-1983. Idar-Oberstein 1983.
  • Saunders, Timothy G.: Familie, Fortpflanzung und Bevölkerungsentwicklung im Hunsrück.. Eine historisch-demographische Untersuchung der Lebensverhältnisse und gesellschaftlichen Strukturen in Kirchberg, Kastellaun und Gemünden 1650-1800. Frankfurt am Main 1995 (Europäische Hochschulschriften: Reihe 3, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; 674).
  • Schellack, Gustav: Kirchberg. In: Pies, Christof (Hg.): Jüdisches Leben im Rhein-Hunsrück-Kreis. Simmern 2003 (Schriftenreihe des Hunsrücker Geschichtsvereins; 40). S. 196-211.
  • Smith, Clifford Neal: Nineteenth-century emigration from Kreis Simmern (Hunsrueck), Rheinland-Pfalz, Germany, to Brazil, England, Russian Poland, and the United States of America. McNeal 1980 (German-American genealogical research monograph; 8).

Erstellt: 23.08.2012

Anmerkungen:

  1. Vgl. Regge, S. 63. Zurück
  2. Vgl. Saunders, S. 67. Zurück
  3. Vgl. Faller, S. 29-45; S. 63. Zurück
  4. Vgl. Faller, S. 53-57. Zurück
  5. Vgl. Smith, S. 21f. Zurück
  6. Vgl. Effgen, S. 105. Zurück
  7. Vgl. Schellack, S. 196f. Zurück
  8. Vgl. Regge, S. 254. Zurück
  9. Vgl. Schellack, S. 207-210. Zurück
 
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