Handwerk, Bierbrauerei und Weinbau

Handwerker bildeten im 19. Jahrhundert das größte Kontingent erwerbstätiger deutscher Einwanderer. Bei der Volkszählung von 1870 stellten sie 37% der berufstätigen Deutsch-Amerikaner. Weitere 27% waren in der Landwirtschaft beschäftigt, 23% waren Arbeiter und 13% übten Handelsberufe aus.[Anm. 1]

Deutsche Handwerker und gelernte Arbeiter genossen in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert – und weit darüber hinaus – einen ausgezeichneten Ruf. Besonders häufig waren sie im Nahrungssektor als Bäcker, Metzger und Brauer anzutreffen, daneben galten Schreiner, Zigarrenmacher und Schneider als ebenfalls typisch deutsche Handwerke. Weitere deutsche Domänen waren die Berufe des Hoteliers, Saloonbesitzers, Friseurs, Malers und Musikers. Unterrepräsentiert waren Deutschamerikaner bei Tätigkeiten, die ausgezeichnete englische Sprachkenntnisse und mitunter eine akademische Ausbildung erforderten, wie Doktor, Rechtsanwalt, Lehrer oder Büroangestellter. Weibliche Berufstätige waren primär als Wäscherinnen, Schneiderinnen sowie im Gaststättensektor tätig.

Viele Einwanderer lebten in geordneten finanziellen Verhältnissen, „Bilderbuchkarrieren“ wie in den Fällen des Holzbarons Frederick Weyerhaeuser aus Nieder-Saulheim/Rheinhessen oder des in Speyer geborenen Eisenbahnmagnaten Henry Villard (ursprünglich Ferdinand Heinrich Hilgard) blieben rare Ausnahmen. [Eine weitere Ausnahme stellt der aus Ober-Flörsheim stammende Emaillierhandwerker und spätere Industrielle Sebastian Walter dar.] Viele Deutschamerikaner bevorzugten konservative und bewährte Geschäftsstrategien und waren weniger risikobereit und innovativ als Angloamerikaner, die das Gros der Millionäre stellten. Ihren Gewinn investierten viele Deutsche lieber in Grundbesitz als für spekulative Unternehmungen. Aufstiegschancen boten sich Deutschen vor allem in Bereichen, in denen sie traditionell über das beste ‚Know-How' verfügten, wie etwa beim Klavierbau, oder für die es einen großen deutschamerikanischen Absatzmarkt gab, wie die Bierproduktion.

Die Bierbrauerei war zweifelsohne der wichtigste Beitrag, den rheinland-pfälzische Einwanderer im 19. Jahrhundert für das Wirtschaftsleben der Vereinigten Staaten geleistet haben.[Anm. 2] Die drei größten Brauereien der USA um die Wende zum 20. Jahrhundert wurden von Männern aus unserem heutigen Bundesland geleitet: die Anheuser-Busch Brewery in St. Louis, die Pabst Brewery und die Schlitz Brewery, beide in Milwaukee.

Die noch heute bestehende Anheuser-Busch Brewery in St. Louis wurde 1870 von Braumeister Eduard Anheuser (aus Kreuznach) und seinem Schwiegersohn Adolphus Busch (aus Mainz-Kastel) gegründet. Bereits ein Vierteljahrhundert zuvor, 1844, rief der aus dem rheinhessischen Mettenheim stammende Philipp Best in Milwaukee eine Brauerei ins Leben, die sich unter seinem Schwiegersohn Frederick Pabst zu einem landesweiten Konzern entwickelte. 1858 übernahm der Mainzer Joseph Schlitz ebenfalls in Milwaukee einen Brauerbetrieb, der zum Zeitpunkt seines Todes (1875) jährlich 70.000 Barrels (8,4 Millionen Liter) Bier produzierte. Es ist kein Zufall, dass diese und andere Brauer aus den Weinbauregionen des südlichen Rheinland-Pfalz stammten. Einige von ihnen hatten vor ihrer Auswanderung das Küferhandwerk erlernt und waren daher mit der Wein- und Bierproduktion gleichermaßen vertraut.

Auch im Weinbau und –handel Nordamerikas spielten Immigranten aus unserem Bundesland eine wichtige Rolle.[Anm. 3] So reisten die in Milwaukee ansässigen Weinimporteure John P. Kissinger (aus Selzen) und Adam Orth (aus Eich) regelmäßig zum Weinkauf in ihre alte Heimat am Rhein. So importierte allein Orth zwischen 1857 und 1867 104.000 Gallonen (knapp 400.000 Liter) rheinhessischer Weine. Von den zahlreichen deutschamerikanischen Winzerbetrieben, die im 19. Jahrhundert in klimatisch begünstigten Regionen der USA entstanden, sei stellvertretend das 1876 gegründete Weingut der aus Mainz stammenden Brüder Jacob und Frederick Beringer im kalifornischen Napa Valley genannt. Es ist das älteste bis heute bestehende Unternehmen in dieser renommierten Weinbauregion.

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Verfasser: Helmut Schmahl

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Anmerkungen:

  1. Vgl. Conzen, Germans, S. 413 (dort auch die nachstehenden Angaben zum Handwerk).. Zurück
  2. Zur Bierbrauerei vgl.. Schmahl, Verpflanzt, S. 245-253. Zurück
  3. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 254-255. Zurück
 
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