2. Das Temescher Banat

In den Kriegen zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich war das Banat – das Gebiet in der ungarischen Tiefebene im heutigen Länderdreieck von Ungarn, Rumänien und Serbien – eines der Hauptkampfgebiete.[Anm. 1] Im Jahr 1718 wurde das Temescher Banat im Frieden von Passarowitz dem Hause Habsburg zugeschlagen. Um diesen Dauererfolg zu zeitigen wurde rasch veranlasst, dieses neuerworbene und fast menschenleere Gebiet zu besiedeln; und damit zugleich gegen erneuten Zugriff zu sichern. Mit der Aufgabe wurde Graf Claudius Florimund Mercy (1666-1734) beauftragt. Der Lothringer hatte als General der Kavallerie seit 1716 bei den Feldzügen gegen die Türken gekämpft. Er siegte mit Prinz Eugen bei der Schlacht bei Peterwardein und übernahm 1718 das Oberkommando über die habsburgischen Streitkräfte im Banat.[Anm. 2]

 

Deutsche Besiedlung des Banats um 1770

Die systematische Ansiedlung

Nach der Einrichtung der kameralen Verwaltung im Jahre 1719 war das Banat als reichsunmitttelbare Kron- und Kammerdomäne ausschließlich der Wiener Hofkammer unterstellt. Als kaiserliche Truppen Temeschwar einnahmen, fiel ihnen mit der Hauptstadt ein Gebiet in die Hand, das durch 165-jährige Türkenherrschaft und jahrzehntelange Kriege vollkommen verwüstet und entvölkert war. Jedes wirtschaftliche Leben war zerstört. Der Handel ruhte in dem verwilderten, von zahlreichen Räubern durchstreiften Land vollständig. Die Pforte hatte das Gebiet absichtlich in diesen öden „Urzustand“ verfallen lassen, da es so zu einer natürlichen Grenzfestung wurde.[Anm. 3] Die systematische Ansiedlung von deutschen bäuerlichen Kolonisten setzte 1722 ein und ging auf Impulse von Mercy ein. Nationalpolitische Ziele verfolgte er bei seiner Einwanderungspolitik nicht. Von einer „Germanisierung“ des Gebietes kann nicht gesprochen werden, es waren auch serbische, bulgarische, griechische und osmanische Kolonisten erwünscht. Für Mercy waren es eher Gründe der Zweckmäßigkeit, die zu der Berufung deutscher – hauptsächlich südwestdeutscher – Kolonisten, Beamten, Handwerker, Kaufleute und Facharbeiter führten. Die Grundlage jeder Aufbauarbeit im Banat war die Erhöhung der Bevölkerungszahl, denn nur so war die Entwicklung der Landwirtschaft und die Anhebung des Gewerbelebens möglich, durch die die wirtschaftliche Kräftigung und die Steuerergiebigkeit der Provinz erreicht werden konnten.[Anm. 4] Recht interessant ist die Planung Mercys, die sich in der Verteilung der Siedlungen auf der Karte zum Ausdruck bringt. Schon die Siedlungen an der Nord- und Südgrenze stellen eine tragfähige Etappenlinie zwischen den Festungen dieser Grenzen – im Süden Pantschowa, Kubin, Neu-Palanka und Orsowa und im Norden Szeggedin und Arad – dar. Ganz deutlich stellt sich auch die Etappenlinie zwischen der Süd- und Nordgrenze mit Temeschwar als Mittelpunkt und Kraftzentrum dar. So gewinnt dieses Siedlungsbild seinen militärisch-politischen Sinn und lässt deutlich das Vertrauen auf die politische und wirtschaftliche Verlässlichkeit der deutschen Kolonisten erkennen. Der wirtschaftliche Schwerpunkt war durch die großen Bergbausiedlungen im Süden, vielleicht auch durch sanitäre Erwägungen, da hier doch weniger Sümpfe als im Nordwesten waren.[Anm. 5]

 

Eine Wirtschaftspolitik für die Einwanderer

Aus dem kurrheinischen, oberrheinischen, fränkischen und schwäbischen Kreis des Reiches kamen deutsche Bauernfamilien. Von 1722 – bis 1726 waren es an die 12 000 bis 16 000 Siedler. Sie siedelten in Dörfern entlang der Nord-Süd-Achse, die die Festungen Arad, Temeschwar und Ujpalanka verbanden. In diesem Zeitraum wurden schon 54 deutsche Ortschaften gegründet, größtenteils in der Mitte des Landes, während im Südbanat erfolgten meist Zusiedlungen zu bereits bestehenden Orten. Die dortigen deutschen Siedlungen entwickelten sich vielversprechend. 1736 kam die sogenannte spätkarolinische Kolonisation unter dem Nachfolger von Mercy, General Graff Hamilton (1679 – 1778).[Anm. 6] Hatten die Bauern ihre Bestimmungsorte erreicht, wurde ihnen in den Dörfern Grund und Boden zugewiesen. Sie waren für drei Jahre von jeglichen Steuern befreit und Vorspannleistungen sowie Einquartierungen wurden festgelegt, Saatgut und Wirtschaftsgeräte gestellt. Im vierten Jahr hatten die Bauern ordnungsgemäß ihre Steuern zu zahlen und den Zehnt abzuführen. Ihre Kontributionen kamen in einen organischen Kreislauf dem Land und damit ihnen selbst wieder zugute. Die Steuern flossen zum größten Teil wieder zurück in Form von nützlichen Einrichtungen, wodurch den Einwohnern neue Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten geschaffen wurden. Zwar war die Ansiedlung von Bauern im Banat mit das wichtigste, für die Entwicklung des Landes aber war die Einwanderung von Gewerbetreibenden mindestens genauso bedeutsam. Um das völlig darniederliegende Gewerbewesen wieder zur Blüte zu bringen, förderte die Wiener Hofkammer die Einwanderung deutscher Handwerker.[Anm. 7] Unter Mercy wurden auch ganz bewusst Italiener in das Land geholt, da sie Kenntnisse über die Seidenraupenzucht und der Seidenerzeugung, den Reisbau, die Öl- und Papiererzeugung und die Gartenbaukultur hatten. Sie sollten ganz speziell den Leitgedanken des Merkantilismus verwirklichen, ihre Ansiedlung erfolgte aus rein ökonomischen Gründen.[Anm. 8] Um eines der Hauptziele der merkantilistischen Wirtschaftspolitik, die bestmögliche Steigerung von Gewerbe und Industrie, zu erreichen, war die Vermehrung der städtischen Bevölkerung unbedingt nötig. Aber wie bei der ganzen Ansiedlung im Temescher Banat waren die ökonomischen Gesichtspunkte ausschlaggebend.

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Verfasser: Yves V. Grossmann

Anmerkungen:

  1. Eine bebilderte Geschichte des Banats findet sich auch In: Das Banat – Bilder, Geschichte, Erinnerungen, hrsg. Von Schneider, Helmut, Stuttgart 1986. Zurück
  2. Hippel, Auswanderung Süddeutschland, S. 38; Hacker, Auswanderer nach Südosteuropa, S. 6; Kallbrunner, Josef, Das kaiserliche Banat – Einrichtung und Entwicklung des Banats bis 1739, München 1958, S. 27ff. Zurück
  3. Jordan, Sonja, Die kaiserliche Wirtschaftspolitik im Banat im 18. Jahrhundert, München 1967 (= Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 17), zugl. Univ. Wien Diss. 1944, S. 14ff. Zurück
  4. Kallbrunner, Das kaiserliche Banat, S. 30ff und Jordan Wirtschaftspolitik, S. 21. Zurück
  5. Kallbrunner, Das kaiserliche Banat, S. 34; auch Jordan, Kaiserliche Wirtschaftspolitik. Zurück
  6. Jordan Wirtschaftspolitik, S. 22f. Zurück
  7. Ibid. S. 23f. Zurück
  8. Ibid. S. 25. Zurück
 
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