Emigration nach Südosteuropa

Der Verlauf der Wanderungen nach Südosteuropa spiegelt alle Wechselfälle der Politik, Kriege und Naturkatastrophen über die Jahrhunderte wider. Die Auswanderung wirkte sich besonders deshalb aus, da die Immigration nach Südosteuropa von der Obrigkeit gesteuert, gefördert aber auch kontrolliert wurde und nicht, weil die Reise in neue offene Räume wie zum Beispiel nach Nordamerika erleichtert oder erschwert wurde.[Anm. 1]

Hauptauswanderungsgebiete aus dem heutigen Rheinland-Pfalz nach Südosteuropa waren die Batschka in Serbien und Ungarn sowie das Temescher Banat im Länderdreieck von Rumänien, Serbien und Ungarn. Geöffnet für die Immigration wurden die beiden Regionen durch die siegreichen Krieg der Habsburger gegen das Osmanische Reich im Jahr 1683. In dem Frieden von Karlowitz 1699 erlangte Österreich die Vorherrschaft auf dem Balkan und konnte diese im Frieden von Passarowitz 1718 festigen. Nach langwierigen Kämpfen mit den Türken war das Land an der mittleren Donau zwischen Alpen und Karpaten durch den Frieden von Belgrad im Jahre 1739 endgültig an Österreich gefallen und es setzte die Besiedlung der Gebiete an den Flüssen Drau, Donau und Theiss ein. Die Erfolge veranlassten Karl VI. sehr bald zu Überlegungen, die neuerworbenen fast menschenleeren Territorien zu bevölkern und damit zugleich gegen den erneuten äußeren Zugriffe besser abzusichern.[Anm. 2]

Die Habsburger beschränkten sich während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überwiegend darauf, die Kolonisten-Ansiedlung privater Herrschaften zu begünstigen. Nachweislich wirkten seit 1718 aber auch wiederholt Werber für die Besetzung der kaiserlichen Kameralherrschaften, insbesondere im Banat. Eine systematische Kolonisationspolitik entstand aber erst nach dem Siebenjährigen Krieg 1756 – 1763 in Konkurrenz zu dem preußischen Rivalen. Die forcierte „Impopulation“ von Banat, Batschka und Ungarn in Spättheresianischer Zeit im Wettbewerb mit Preußen und teilweise mit Russland, vor allem um Zuwanderer aus dem deutschen Südwesten, bewirkte eine wiederholte Verbesserung der Siedlungsbedingungen.[Anm. 3]

Die Pfälzer und viele andere Auswanderer suchten über Würzburg Regensburg zu erreichen, da von dort die Reise auf der Donau fortgesetzt werden konnte. Die Schifferzünfte in Ulm und Regensburg machten in jener Zeit gute Geschäfte. Für kleinere Transporte genügten die Ulmer Zillen, scherzweise auch „Ulmer Schachteln“ genannt. Bei größerem Andrang beförderte man die Leute auf den 125 Fuß langen Schwemmern oder auf den 146 Fuß langen Klobzillen. Während sich die Abfertigung der Schiffe in Ulm reibungslos abwickelte, gab es in Regensburg oft Stauungen und unfreiwilligen Aufenthalt. Hier strömten die Auswanderer aus Trier, Mainz, Fulda und Bamberg, aus der Pfalz, aus Luxemburg, Hessen, Nassau und Franken zusammen. Man schätzt ihre Zahl wöchentlich auf über 1 000 Menschen. Die Fahrt begann nach Ablauf der Hochwasser und ging über Passau und Linz in die Donau und von dort über Wien nach Südosteuropa.[Anm. 4]

Ein Phänomen das auftrat, war die Weiterwanderung aus Südosteuropa nach Südrussland zu den großen deutschen Kolonien am Schwarzen Meer und um Saratow. So zogen die Kolonisten häufig über Nacht mit Pferden und Wagen los, über die Moldau nach Bessarabien in die schon bestehenden Kolonien im Osten.[Anm. 5]

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Die Batschka - Eine Region Südosteuropa

1. Die Batschka

Ein erster Schub der rheinland-pfälzischen Auswanderung nach Südungarn und Nordserbien kam nachdem der Rákóczy-Aufstand 1711, durch die Anerkennung des habsburgischen Erbkönigtums in Ungarn beigelegt war. Die Ansiedlung im südosteuropäischen Raum wurde gefördert und gelenkt durch Aufrufe und Werbungen der Grundherrschaften Ungarns, unter denen das Haus Habsburg lange der größte Grundeigentümer war. Eine systematische Kolonisationspolitik entwickelte sich aber erst nach dem Siebenjährigen Krieg 1763 in Konkurrenz zu dem preußischen Rivalen. Ungarische Magnate, zuerst ab 1712 Graf Sandor Károlyi (1669 – 1743), begannen mit kaiserlicher Genehmigung im Reich Siedler für ihre Gebiete zu werben. Bereits im Jahre 1722 hatte sich der Kaiser Karl VI. selbst an den Kurfürsten in Mainz gewandt, um die unentgeltliche Fortlassung von Leuten zu erreichen, die er auf kaiserlichen Domänen im Banat und in der Batschka ansiedeln wollte. Dem geistlichen Fürsten machte Karl VI. die Abziehung von Untertanen schmackhaft mit dem Hinweis, diese hätten eine „Vormauer der Christenheit“ zu bilden. Die Volkszählungen von 1715 und 1720 fielen eher gering aus, sodass 1723 der Landtag unter Karl III. den Gesetzesartikel 103 erließ:

Von seiner allerhöchsten Majestät wird gnädigst erlaubt, dass jede freie Person unter Gewährung der Begünstigung von sechs Jahren öffentlicher Steuerfreiheit in das Land gerufen werden und dass diese Freiheit im ganzen Reich publiziert werde.

1.§ Dass aber der diesbezüglich offene Befehl (Patent) im heiligen römischen Reiche, in den Nachbarländern und Provinzen seiner allerhöchsten Majestät kund gemacht werden könne, soll mit den Ständen des erwähnten heiligen Reiches, der Nachbarländern und Provinzen beschlossen werden“.[Anm. 6]

Er bildete die staatsrechtliche Grundlage der deutschen Besiedlung Ungarns, auch für die mariatheresianische Ansiedlungszeit (1749 – 1772) und die noch spätere josephinische (1784 – 1787).

Seit 1736 verstärkten die Habsburger selbst die Kolonistenanwerbung für ihre eigenen Ländereien. Sie wurden intensiviert, nach den schweren Rückschlägen durch den Krieg gegen die Türkei 1737/39, dem Österreichischen Erbfolgekrieg 1748/52, sowie vor allem nach dem Siebenjährigen Krieg und einer großen Hungersnot in Deutschland 1771.[Anm. 7]

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Die Ansiedlung der Rheinland-Pfälzer

Das Land an der mittleren Donau zwischen den Alpen und Karpaten kam nach langwierigen Kämpfen gegen die Türken im Frieden von Belgrad 1739 endgültig an Österreich. Die Besiedlung dieser Gebiete an den Flüssen Theiss, Drau und Donau wurde zunehmend durch eine planmäßige Kolonisierung gefördert. Die Batschka war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kein einheitliches Gebiet, sie bestand aus Militärgebiet, Privatdominien und Kameralgüter. Zwar war die Batschka nach der Eroberung des Temescher Banats 1716 nicht mehr Grenzland zwischen dem Osmanischen und Habsburgischen Reich, allerdings blieben sie davon geprägt. Der weitaus größte Teil der Batschka war zur damaligen Zeit Kameralgut oder „Staats“-Gut, das von der Hofkammer, der Kameralherrschaft, verwaltet wurde. Dieses Strukturmerkmal ist für die „staatlich“-geplante Einwanderungsförderung von besonderer Bedeutung und einer der wesentlichen Punkte in den Strukturen der Migration von West und Ost.[Anm. 8] Unterstützt von den österreichischen Behörden zogen besonders viele Pfälzer und Südwestdeutsche nach 1760 entlang der Donau nach Ungarn in die Batschka. Die bürokratische Planung, Organisation und Reglementierung bot den Kolonisten ein hohes Maß an Sicherheit, was die Reise, Landzuweisung und weitere Starthilfen anging. Jedoch waren alle Auswanderer auf die Kolonisationsbehörden angewiesen und diese zeigten nur zu häufig mangelhafte Leistungen in den Siedlungsgebieten.[Anm. 9] Die Auswanderung nach Südosteuropa in die Batschka zeichnet sich speziell dadurch aus, dass die Reise von der Obrigkeit organisiert wurde. Die lange Reise auf der Donau oder über Krakau und Lemberg wurde so deutlich erleichtert und half, die Emigration nach Südosteuropa attraktiv zu gestalten.[Anm. 10] Allgemein war der Umfang der pfälzischen Emigration nach Südungarn relativ bescheiden, in der Toleranz konnte Maria Theresia mit ihrem Rivalen Friedrich – der alle Kolonisten unabhängig vom Glauben empfing – nicht mithalten. Erst durch das Toleranzedikt von Josef II. (1782) wurden die katholischen Länder der Habsburger für Protestanten geöffnet, danach erlebte die Auswanderung in die Batschka einen erneuten Aufschwung.

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Die wirtschaftliche Situation

Das freigewordene Land war damals noch wildes Urland, bewachsen mit Schilf und Binsen, bedeckt von Morast und Sümpfen mit Wasservögeln. Jeder Bauer war frei von grundherrlichen Abgaben. Erst nach sechs Jahren mussten sie Staatssteuern zahlen, Handwerker sogar erst nach zehn Jahren. Jeder Bauer erhielt kostenlos 32 Joch Feld – 1 Joch entsprechen heute ungefähr 0,57 ha – und ihnen wurde eine zehnjährige Militärfreiheit zugesichert. Ein Haus wurde mit 200 Gulden in Rechnung gestellt, es hatte Zimmer, Kammer, Küche und Stall und war elf Klafter lang, drei Klafter breit, acht Schuh hoch und trug ein Rohr- oder Strohdach. Die Dreifelderwirtschaft war zu jener Zeit die Regel, so waren die Winterfrüchte Gerste und Weizen, im Sommer kam Hafer, Mais, Brache und Wiesen für Weideland. Für Hanfanbau zur Herstellung des Hanftuches war das warme Sommerklima mit etwas Feuchtigkeit sehr günstig und wurde mitunter als „weißes Gold“ der Batschka bezeichnet. Der Anbau von Hanf entwickelte sich rasch, da der Boden und die klimatische Lage dem Hanfanbau sehr förderlich waren. Den Anbau von Hanf gab es noch bis weit in das 20. Jahrhundert und dieser war zumeist von deutschen Aussiedlern geprägt, die die Hanfverarbeitung in großen Familienbetrieben übernahmen. Raps wurde angebaut zur Gewinnung von Öl für die Ölmühlen. Auf den Rat von Kaiser Joseph II. wurden sogar Maulbeerbäume angepflanzt.[Anm. 11] In den Reiseberichten von Heinz in den frühen 1930er Jahren lassen sich immer noch um die 173 000 Deutsche zwischen Donau und Theiss finden. Kaum verwunderlich scheint es da, dass in dieser Zeit noch in 58 Ortschaften die pfälzische und rheinfränkische Mundart gepflegt wurde – waren doch 150 Jahre vorher rund die Hälfte aller Auswanderer aus dem Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz.[Anm. 12]

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weiter zum Auswanderung in das Temescher Banat

Verfasser: Yves V. Grossmann

Anmerkungen:

  1. Von Hippel, Wolfgang, Auswanderung aus Süddeutschland - Studien zur württembergischen Auswanderung und Auswanderungspolitik im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1984 (= Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 36), S. 36.; Auswanderer nach Südosteuropa im 18. Jahrhundert, Nach der Zentralkartei der Heimatstelle Pfalz, zugst. von Stefan Stadler (=Schriftreihe zur donauschwäbischen Herkunftsforschung 1 bzw. Schriften zur Wanderungsgeschichte der Pfälzer 36), Darmstadt 1978. Zurück
  2. Hippel, Auswanderung Süddeutschland, S. 38; Hüttig, Friedrich-Karl: Die pfälzische Auswanderung nach Ost-Mitteleuropa im Zeitalter der Aufklärung, Napoleons und der Restauration, Marburg/Lahn 1958 (Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas 31), S. 3f. Zurück
  3. Hippel, Auswanderung Süddeutschland, S. 86 und Fenske, Hans, International Migration: Germany in the Eighteenth Century, In: Central European History 13 (1980), S. 344ff. Zurück
  4. Lotz, Hodschag, S. 47. Zurück
  5. Stumpp, Karl: Die Auswanderung aus Deutschland nach Russland in den Jahren 1763 bis 1862, Stuttgart 1985, 4. Auflage, S. 103f. Zurück
  6. Nach Tafferner, Anton, Quellenbuch zur donauschwäbischen Geschichte 1, München 1974, S. 94ff. Zurück
  7. Speziell für einen Überblick zur Geschichte der Batschka sei Lotz, Friedrich, Hodschag – Geschichte einer deutschen Marktgemeinde in der Batschka, Freilassing 1964, 2. Auflage, S. 17 empfohlen; Hacker, Werner, Auswanderer vom Oberen Neckar nach Südosteuropa im 18. Jahrhundert, München 1970 (= Buchreihe der Südostdeutschen Historischen Kommission 23), S.4; Hacker, Werner, Auswanderung aus Rheinpfalz und Saarland im 18. Jahrhundert, Stuttgart 1987, S. 94.; Hippel, Auswanderung Süddeutschland, S. 36ff. und 86. Zurück
  8. Lotz, Hodschag, S. 17. Zurück
  9. Hüttig, Friedrich-Karl: Die pfälzische Auswanderung nach Ost-Mitteleuropa im Zeitalter der Aufklärung, Napoleons und der Restauration, Marburg/Lahn 1958 (= Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas 31), S. 3f; Hippel, Auswanderung Süddeutschland, S. 85f. Zurück
  10. O'Reilly, William, Agenten, Werbung und Reisemodalitäten – Die Auswanderung ins Temescher Banat im 18. Jahrhundert, In: Beer, Mathias (u.a. Hrsg): Migration nach Ost- und Südosteuropa vom 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts – Ursachen-Formen-Verlauf-Ergebnis, Stuttgart 1999 (= Schriftenreihe des Instituts für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde 4), S. 114f; Pabst, Friedrich, Auswanderungen aus dem Kreis Alzey in das Ungarnland, In: Heimat-Jahrbuch des Landkreis Alzey 3 (1963), S. 61. Zurück
  11. Pabst, Auswanderung Ungarnland, S. 61ff; Hacker, Auswanderer nach Südosteuropa, S. 96; Heinz, Jakob, Bei den Pfälzern in der Batschka – Reiseberichte aus Jugoslawien, Sonderdruck der Pfälzischen Rundschau, Ludwigshafen 1933, S. 5ff; Lotz, Hoschdag, S. 146ff. Zurück
  12. Heinz, Batschka, S. 5f Zurück
 
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