Akkulturation und Assimilation
Seit der Mitte des 18. Jahrhundert spielten die zunehmend selbstbewussten, gut informierten und wohlhabenden Deutschen eine bedeutende politische Rolle, obwohl sie sich selten einig waren.[Anm. 1] In Pennsylvania bedeutete dies, dass pazifistische Gruppen wie die Mennoniten gemeinsam mit den Quäkern gegen Wehrausgaben protestierten, während die meisten Deutschen, die oft an der Siedlungsgrenze lebten, mit den englischen Gegnern der Quäker sich während des French und Indian War (1754-1763) für Steuern zur Unterhaltung von Truppen aussprachen. Das gleiche Verhaltensmuster fand sich auch später im Revolutionskrieg. Während die Mennoniten für Neutralität plädierten, standen die meisten übrigen Deutschen auf der Seite der aufständischen Kolonisten.
Die deutsche Einwanderung kam mit der Revolution praktisch zum Stillstand und war auch nach der Unabhängigkeit der USA mehrere Jahrzehnte gering. Der Grund hierfür war, dass der transatlantische Verkehr durch verschiedene kriegerische Ereignisse stark beeinträchtigt war. Während dieser Zeit, als kaum noch Neueinwanderer kamen, schritten in den Städten und Gebieten, in denen Deutschstämmige nicht die Bevölkerungsmehrheit stellten, Akkulturation und Assimilation rasch voran. Sogar vor der Revolution hatten viele Bewohner Germantowns Englisch als Verkehrs- und Kirchensprache übernommen und es kam zu einer wachsenden Zahl interethnischer Ehen.[Anm. 2] Städtische Kirchen führten relativ bald Englisch als Gottesdienstsprache ein. Sogar in Lancaster, das im Zentrum eines ländlichen deutschen Siedlungsgebietes lag, wurden 1815 englischsprachige Gottesdienste eingeführt, obwohl bis 1851 auch auf Deutsch gepredigt wurde. Ein ähnlicher, jedoch langsamer Prozess vollzog sich in den ländlichen Siedlungen außerhalb Pennsylvanias von New York bis Georgia, so dass bis zum Bürgerkrieg die in der Kolonialzeit gegründeten Kirchengemeinden den Übergang zum Englischen vollzogen hatten. Lediglich in ländlichen Gebieten Pennylvanias, wo die Deutschen die ersten Siedler gewesen waren und durch den Wegzug der Iroschotten oft die Notwendigkeit entfallen war, Englisch zu lernen, entwickelte sich eine stabile ethnische Kultur. Dennoch führten englische Einflüsse mitunter auch in diesem Raum dazu, dass Familiennamen anglisiert wurden. Oft ist der deutsche Ursprung noch zu erkennen wie bei Stouffer (Stauffer), Pennypacker (von Pfannebecker), Keifer (von Kiefer), Rodenbough (Rodenbach), Harbaugh (von Herbach), bei anderen ist er schwieriger auszumachen, z.B. bei dem mennonitischen Familiennamen Krehbill, der zu Grebill, Grabkill und schließlich Graybill wurde. Bei den Familiennamen Doverspike und Germantown würde man ebenfalls bei erster Betrachtung nicht auf einen deutschen Ursprung schließen. Dennoch handelt es sich um die noch im 18. Jahrhundert erfolgten Anglisierungen der Familiennamen Daubenspeck (aus Freinsheim) und Germendung (aus Flomborn).
Die Pennsylvaniadeutschen waren in einem ländlichen Gebiet, das größer als die Schweiz ist,[Anm. 3] so zahlreich, dass sich eine eigenständige Kultur herausbildete. Sprache, Essen, Architektur, Volkskunst, Feste und andere Bereiche stellten eine Verschmelzung deutscher Traditionen mit englisch-amerikanischen Elementen dar. Diese Kultur ist in Amerika auch unter dem irreführenden Namen ‚Pennsylvania Dutch Culture' bekannt. Dutch bezieht sich hier nicht auf die englischsprachige Bezeichnung für die Niederlandes, sondern auf den frühneuzeitlichen englischen Begriff, der alles Deutsche damit umfasste.
Das Pennsylvania German, ein Dialekt mit pfälzischen, schwäbischen, schweizerischen und englischen Elementen (näheres hierzu im Aufsatz von Michael Werner in diesem Band), ist neben dem Englischen, dem Spanischen und dem Kreolischen die einzige Sprache mit europäischen Wurzeln, die sich über mehrere Jahrhunderte behauptet hat. Es wird heute hauptsächlich noch von den Angehörigen amischer Gruppen verwendet, Täufer, die aufgrund ihrer traditionellen Lebensweise bekannt sind. Obwohl den Pennsylvaniadeutschen oft ihre Starrköpfigkeit und konservative Grundhaltung vorgeworfen wurden, haben einige ihrer Innovationen sich allgemein durchgesetzt. So ist der klassische, aus zahlreichen Western bekannte Planwagen (Conestoga Wagon) in Lancaster aus dem aus Deutschland bekannten Bauernwagen entwickelt worden.[Anm. 4] Dieses Fahrzeug trug maßgeblich zur Kolonisierung der westlichen Teile Nordamerikas bei. Pennsylvanischdeutschen Ursprungs ist ebenfalls ein Wetterritual, das durch die Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (Groundhog Dog, 1993) auch in Deutschland bekannt wurde. Am 2. Februar jedes Jahres (Lichtmess) wird in Punxsutawney traditionell eine Vorhersage über das Fortdauern des Winters getroffen.[Anm. 5] Hierzu wird öffentlich ein Waldmurmeltier zum ersten Mal im Jahr aus seinem Bau gelockt. Wenn Punxsutawney Phil seinen Schatten sieht, soll der Winter noch weitere sechs Wochen dauern.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich als kennzeichnendes Element der pennsylvanischdeutschen Kunst die Frakturmalerei.[Anm. 6] Nach europäischen Vorbildern zeichneten insbesondere Schullehrer Taufscheine, Haussegen und Besitzvermerke in Büchern, die sie mit Vögeln, Herzen, Engeln und Tulpen verzierten. Im 19. Jahrhundert wurden gedruckte Formulare von Taufscheinen gebräuchlich, die nur noch ausgefüllt und koloriert werden mussten. Frühe handgemalte Frakturen, etwa aus dem Kloster Ephrata, zählen heute zu der am höchsten bezahlten Volkskunst Nordamerikas.
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Anmerkungen:
- Vgl. Conzen, Germans, S. 409. Zurück
- Vgl. Conzen, Germans, S. 409. Zurück
- Vgl. Don Yoder: Pennsylvania Germans. In: Thernstrom, Harvard Encyclopedia, S. 770. Zurück
- Vgl. Yoder, Pennsylvania Germans, S. 771. Zurück
- Überblickswerk zum Thema: Don Yoder: Groundhog Day. Mechanicsburg/PA 2003. Zurück
- Von der umfangreichen Literatur zur pennsylvanischen Fraktur sei stellvertretend genannt: Dennis K. Moyer: Fraktur Writings and Folk Art Drawings of the Schwenkfelder Library Collection. Kutztown/PA 1998. Zurück