Landwirtschaft der Deutschamerikaner
Jeder vierte erwerbstätige deutscher Einwanderer war im 19. Jahrhundert in der Landwirtschaft beschäftigt.[Anm. 1] Wie zur Kolonialzeit galten sie auch im Mittleren Westen als besonders gründliche Landwirte. Viele Immigranten in neu besiedelten Gebieten erwarben ihr Gebiet vom amerikanischen Kongress zum günstigen Preis von 1,25 Dollar pro acre (1 acre = 0,40 ha).[Anm. 2] 1862 wurde der Homestead Act (Heimstättengesetz) erlassen, der den Siedlern gegen eine geringe Gebühr 16 acres Regierungsland vermachte, falls sie sich dazu verpflichteten, es fünf Jahre lang zu bewirtschaften und zu bewohnen.[Anm. 3] Die Bodenpreise waren für deutsche Verhältnisse sehr günstig, allerdings waren beträchtliche Mittel für die Anschaffung von Arbeitsgeräten u. ä. notwendig.
Der Alltag auf einer nordamerikanischen Farm, insbesondere an der Siedlungsgrenze, unterschied sich grundlegend von dem in einem jahrhundertealten deutschen Dorf. Hilfskräfte waren oft rar und teuer, der Kontakt zu den oft Meilen entfernt wohnenden Nachbarn schwierig. Überdies waren zahlreiche handwerkliche Kenntnisse notwendig, über die ein Bauer in Deutschland oft nicht verfügte.
Bei der Fruchtfolge und beim Düngen konnten sich Farmer auf ihre Erfahrung aus Europa verlassen, ansonsten musste alles neu geschaffen werden und Produkte angepflanzt werden, deren Absatz gesichert war. Dies wird beim Getreideanbau deutlich, wie die landwirtschaftlichen Erhebungen von Washington County/Wisconsin – einer unter Immigranten aus allen Teilen des heutigen Rheinland-Pfalz populären Ansiedlungsregion – für die Jahre 1850 und 1860 deutlich zeigen.[Anm. 4] In der ersten Zeit nach der Ansiedlung übernahmen deutsche Einwanderer so viel wie nötig an amerikanischen Produktionsmethoden und bemühten sich gleichzeitig, ihre traditionelle Anbauweise so weit wie möglich beizubehalten. Der Weizenanbau war bei ihnen ebenso vorherrschend wie bei ihren angloamerikanischen oder irischen Nachbarn. Trotz der wesentlich schlechteren Vermarktungsmöglichkeiten von Roggen bestellten deutsche Farmer im Gegensatz zu anderen Siedlern beträchtliche Flächen mit ihrem traditionellen Brotgetreide. Mais und Ahornsirup waren unbekannte Produkte für die Immigranten, sie begannen jedoch gleich nach der Ankunft mit deren Erzeugung, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Ausmaß als Angloamerikaner.
Mit der Zeit näherten sich die Produktionsgewohnheiten der Gruppen immer weiter an. Als die Bedeutung des Weizens aus Wisconsin auf den Märkten nachließ, erfolgte der Übergang zur Milchwirtschaft. Dieser Schritt wurde zunächst von Angloamerikanern vollzogen, bis zur Mitte der 1880er Jahre zogen auch die Deutschen des Staates nach.
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper