Sonstige Auswanderungsgründe
Wirtschaftliche Faktoren stellten den wichtigsten, aber nicht einzigen Grund für Auswanderungen dar. Politische Motive, insbesondere Unzufriedenheit über die obrigkeitsstaatlichen Verhältnisse, spielten mitunter auch eine wichtige Rolle, insbesondere bei den Auswanderungsbewegungen nach dem Hambacher Fest 1832 und nach der gescheiterten Revolution von 1848.[Anm. 1] Zwar betrug die Zahl der „Achtundvierziger“ lediglich ein Hundertstel der deutschen Immigranten den 1850er Jahre, es handelte sich bei ihnen jedoch um Angehörige einer bildungsbürgerlichen Elite, die in den USA einen „kaum zu überschätzenden Einfluss auf die deutschamerikanische Presse und Politik“[Anm. 2] gewann. Die große Bedeutung, die diesem Personenkreis heute in der rheinland-pfälzischen Erinnerungskultur beigemessen wird, ist darauf zurückzuführen, dass es relativ viele der Emigranten vermochten, wichtige Positionen im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben der Vereinigten Staaten bekleiden.
Auch religiöse Motive spielten im 19. Jahrhundert für die Auswanderung aus dem heutigen Rheinland-Pfalz keine nennenswerte Rolle mehr. Allenfalls während des Kulturkampfes in den 1870er Jahren war mancherorts unter Katholiken eine erhöhte Wegzugsbereitschaft zu verzeichnen.[Anm. 3] Die häufige Auswanderung von Juden dürfte aufgrund ihrer aus napoleonischer Zeit herrührenden Emanzipation hauptsächlich nicht auf religiöse, sondern ökonomische Motive zurückzuführen sein. Einige Juden aus Rheinland-Pfalz gelangten in Amerika zu Berühmtheit, wie der Bankier und Politiker Aron (August) Belmont aus Alzey.
Neben den bereits erwähnten Ursachen gab es noch eine Reihe persönlicher Motive, die Menschen bewogen, sich von der Heimat zu lösen. Furcht vor Strafverfolgung, Abenteuerlust, mehrjähriger Militärdienst und Streit mit Angehörigen gehören ebenso dazu wie der Schritt entlassener Strafgefangener oder auch lediger Mütter, den sozialen Makel durch Auswanderung von sich zu streifen.[Anm. 4]
Verfasser: Helmut Schmahl
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper