Presse und Literatur

Die Zeitung war in den Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert bereits ein Massenmedium. 1847 schrieb ein rheinhessischer Auswanderer seinen Verwandten, man treffe in der Umgebung von Milwaukee kaum einen Farmer, der nicht wenigstens eine deutschsprachige Wochenzeitung abonniert habe.[Anm. 1]

Die deutschsprachige Presse hatte zwei entgegen gesetzte Wirkungen.[Anm. 2] Zum einen verzögerte sie das Erlernen der englischen Sprache, da man den Inhalt in der vertrauten Muttersprache lesen konnte. Auf der anderen Seite hatten deutsche Zeitungen in den Vereinigten Staaten die gleiche Aufmachung wie englischsprachige Blätter und standen meist im Dienst einer politischen Partei. Sie dienten der Instrumentalisierung der Deutschen für einen politischen Zweck und noch wichtiger: Sie machten die Adoptivbürger mit Regierungsform, Lebenssitten und Kultur der Amerikaner vertraut. So erfreute der „Sheboygan National Demokrat“ im September 1861, kurz nach Ausbruch des Bürgerkrieges, seine pfälzischen, hunsrückischen und rheinhessischen Leser mit einer pennsylvanischdeutschen Nachdichtung des patriotischen Liedes „Yankee Doodle“.[Anm. 3] Auch andere deutschsprachige Zeitungen brachten Glossen im pfälzischen Dialekt.

Aufgrund der Initiative des aus Edenkoben stammenden New Yorker Verlegers Conrad Voelcker entstanden in den 1880er Jahren eigene Zeitungen für pfälzische und hessische Einwanderer, die bis 1917 ausführlich über das Tagesgeschehen in der alten Heimat, z.B. Unglücke, Todesfälle und den Stand der Weinernte informierten. „Der Pfälzer in Amerika“ erschien seit 1884, drei Jahre später wurden die „Hessischen Blätter“ ins Leben gerufen (seit 1897 mit der „Hessen-Darmstädter Zeitung“ vereint).[Anm. 4]

Im späten 19. Jahrhundert gab es selbst in kleinen Siedlungen deutsche Wochenblätter Es ist dennoch verfehlt, von einer damaligen Blüte des deutschen Pressewesens zu sprechen.[Anm. 5] Bereits seit zwei Jahrzehnten kamen nur noch wenige deutsche Einwanderer ins Land, und immer mehr jüngere Leser, die Deutschland allenfalls aus Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern kannten und mit der Sprache nicht mehr recht vertraut waren, bevorzugten englische Zeitungen. Deutlich wird dies aus einer deutschsprachigen Anzeige des „Milwaukee Sentinel“ 1903. Dort hieß es in holprigen Reimen: „Stirbt ein alter deutscher Buerger, der recht lang gewohnt hier hat, widmet ihm ‚nen langen schoenen Nekrolog das deutsche Blatt. Tags d'rauf danken dem die Kinder, fuer den ‚Puff', den man ihm gab, wischen sich geruehrt die Augen, und – bestell'n die Zeitung ab. Und wird die Sache um so boeser, je staerker Kinder sich vermehren. Auf diese Weise, lieber Leser, da kommen naemlich wir zu Ehren.“[Anm. 6]

Außer dem Zeitungswesen entwickelte sich im 19. Jahrhundert auch – trotz einer großen Zahl von Buchimporten aus Deutschland - ein recht bedeutendes deutschsprachiges Buchverlagswesen. Der wichtigste deutschsprachige Verlag der Vereinigten Staaten war die 1862 gegründete George Brumder Publishing Company in Milwaukee.[Anm. 7] Als Buchhändler und Zeitungsherausgeber war der aus dem Elsass gebürtige Brumder gut mit den Lesegewohnheiten der Deutschamerikaner vertraut. Er publizierte zahlreiche Werke, die speziell für Deutschamerikaner verfasst wurden und weite Lebensbereiche abdeckten. So druckte er neben religiöser Literatur, Kinderbüchern und Romanen Sachbücher wie „Der deutsche Farmer im Busch und auf der Prairie“, „Hausthierarzt für den amerikanischen Farmer und Viehzüchter“, „Der amerikanische Geflügelzüchter“, „Amerikanisches Gartenbuch“, „Praktisches Kochbuch für die Deutschen in Amerika“, „Der unentbehrliche praktische Rathgeber“, „Unser Familien-Arzt“, „Erlebnisse aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870-71“ oder „Vierhundert Jahre amerikanischer Geschichte“. Viele der Bücher aus dem Verlag Brumders und anderer Pressen erlangten landesweite Verbreitung als Prämien für Zeitungsleser, die ihr Abonnement im Voraus bezahlten.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich allmählich eine deutschamerikanische Literaturszene, die bislang nur in Ansätzen erforscht ist.[Anm. 8] Von den zahlreichen Schriftstellern und Dichtern erreichten nur wenige überregionale Bedeutung, wie der in Landau gebürtige Konrad Krez (1828-1897) oder der Lyriker Konrad Nies aus Alzey (1861-1921). Eine 1892 erschienene umfangreiche Anthologie deutschamerikanischer Lyriker führt außer den genannten folgende Dichter auf, die im heutigen Rheinland-Pfalz geboren wurden: Ludwig August Wollenweber (geb. 1807 Ixheim bei Zweibrücken), Emil Dietzsch (geb. 1829 Trippstadt bei Kaiserslautern), Henricus vom See (geb. 1837 Nierstein), August Steinlein (geb. 1823 Trier), Julius Loeb (geb. 1822 Edenkoben), Friedrich Grill (geb. 1838 Kusel), Jakob Heintz (geb. 1833 Alzey), Max Eberhardt (geb. 1843 Germersheim), Wilhelm Keilmann (geb. 1845 Hechtsheim bei Mainz).[Anm. 9]

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Verfasser: Helmut Schmahl

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Anmerkungen:

  1. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 274. Zurück
  2. Vgl. Susan J. Kuyper: The Americanization of German Immigrants: Language, Religion, and Schools in Nineteenth Century Rural Wisconsin. Diss. (masch.) University of Wisconsin 1980, S. 31. Zurück
  3. Vgl. Schmahl, Verpflanzt, S. 276. Zurück
  4. Vgl. Roland Paul: Die Zeitungen „Der Pfälzer in Amerika“ und die „Hessischen Blätter“ und ihr Ende im Ersten Weltkrieg. in: Pfälzer in Amerika. Kaiserslautern 1995, S. 126-139. Zurück
  5. Vgl. Helbich/Kamphoefner/Sommer, Briefe aus Amerika, S. 27-28. Zurück
  6. Wilhelm Hense-Jensen: Mufti-Almanach. Ein Lebenszeichen der Deutsch-Amerikaner Milwaukee's. Milwaukee 1903, unpaginierter Anhang. Zurück
  7. Zu Brumder vgl.Carl Heinz Knoche: The German Immigrant Press in Milwaukee. New York 1980, S. 140. Zurück
  8. Zur pennsylvanischdeutschen Dichtung siehe den Beitrag von Michael Werner in diesem Band. Zurück
  9. Vgl. die Kurzbiographien und abgedruckten Gedichte bei: Gustav Adolf Zimmermann: Deutsch in Amerika. Beiträge zur Deutsch-amerikanischen Literatur. Hrsg. vom Germania Männerchor in Chicago. Bd. 1. 2. Auflage, Chicago 1894. Zurück
 
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