Die Auswanderung aus Kaiserslautern
Der Dreißigjährige Krieg stellte für Kaiserslautern wie für das Heilige Römische Reich eine Zäsur dar. Die kaiserlichen Landesknechte stürmten am 17. Juli 1635 die Stadt und zerstörten sie völlig. Von knapp 3 200 Einwohnern blieben nur 200 am Leben. Die Barbarossastadt wurde auch im Pfälzischen und Spanischen Erbfolgekrieg von der Zerstörung erfasst. Lebten zur Mitte des 17. Jahrhunderts wieder 730 Menschen in Kaiserslautern, stieg die Zahl der Einwohner bis 1721 nur bis 900. Die Anzahl der Einwohner blieb relativ konstant.[Anm. 1]
Die Archivsituation zu Kaiserslautern ist durch die Kriege für das 17. und 18. Jahrhundert relativ schlecht - so auch die Aktenlage zur Auswanderung aus Kaiserslautern. Vergleichsweise leicht gelingt der Nachweis der Einwanderung nach Kaiserslautern, da die Bürgerbücher nicht verloren gingen und sogar teilweise schon ediert sind. Zudem ist es häufig schlicht effektiver, die Auswanderer in ihren neuen Siedlungsgebieten archivarisch zu suchen. Wir können annehmen, dass Kaiserslautern keine Insel in der Pfalz bezüglich der Auswanderung war. Jeder Krieg in der Region trieb viele Menschen in die Verzweiflung und im Endeffekt in die Emigration. Auch wirtschaftliche Not wie die Erntekrise 1708/09 zwang viele zur Auswanderung.[Anm. 2]
Hauptziel der Pfälzer – und wahrscheinlich pars pro toto auch der Kaiserslauterer – war die Neue Welt in Nordamerika. Die Stadt war beispielsweise von Johann Peter Saling (1701-1755), eigentlich ein Hugenotte aus dem Elsass. Saling, der auch als der „Weiße Indianer“ bezeichnet wurde, war einer der bedeutenden amerikanischen Pioniere im 18. Jahrhundert. Sein Hauptverdienst war die Erkundung von Philadelphia und seine Reiseberichte wurden als „A Brief Account of the Travels of John Peter Salley“ in das Englische transkribiert. Ebenfalls aus der Barbarossastadt kam der Pfarrer Friedrich Ludwig Henop (1740-1784), einer der Wegbereiter der amerikanischen Unabhängigkeit. Die größte gemeldete Gruppe von Auswanderern aus Kaiserslautern waren sieben Familien mit insgesamt 27 Personen. Sie machten am 14. Oktober 1785 auf dem Weg nach Ungarn Station in Wien.[Anm. 3]
Kaiserslautern kam 1801 unter französische und 1816 unter bayerischen Herrschaft. Wie beinahe überall in Europa und dem späteren Deutschen Reich gab es auch in Kaiserslautern ein großes Bevölkerungswachstum. Lebten um 1800 noch 2 800 Bewohner in der Stadt, stieg diese Zahl von ca. 6 600 um 1830, 26 000 um 1860, 48 000 um 1880, auf 48 000 im Jahr 1900. Die Bevölkerung von Kaiserslautern versiebzehnfachte sich innerhalb nur eines Jahrhunderts.[Anm. 4] Hauptgrund hierfür war der Wandel zu einer florierenden Industriestadt ab den 1850ern Jahren und der Zuzug der Bevölkerung aus dem Umland. Das Elend, dass mit dieser Industriearbeit einherging, zwang wiederum auch viele Familien zu Auswanderung. Zwischen 1860 und 1890 wanderten viele Pfälzer aus, aus Kaiserslautern traf dieses Schicksal auch viele Menschen. Bis zur wirtschaftlichen Krise in der Zwischenkriegszeit entwickelte sich Kaiserslautern zu einer der bedeutendsten Städte in der Pfalz. Während der NS-Diktatur wurden viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde zur Auswanderung gezwungen, über 175 wurden deportierten.[Anm. 5] Nach dem 2. Weltkrieg kamen mit der Phase des Wiederaufbaus auch viele Zuwanderer, Heimatvertriebene und Flüchtlinge in die Stadt. Mit dem Ausbau der amerikanischen Stützpunkte ab 1957 kamen viele Angehörige der US-Streitkräfte nach „K-Town“, ein Sonderfall der Migration.[Anm. 6]
In Kaiserslautern befindet sich heute der Sitz des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde. Hier wird ein Archiv mit genealogischen Informationen über pfälzische Auswanderer gepflegt. Ebenso ist die Pfalzbibliothek mit umfassenden Beständen zur pfälzischen Mundart dort ansässig.
Nachweise
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper und Yves V. Grossmann
Verwendete Literatur:
- Arbeitsgruppe für Stadtentwicklungsplanung und Flächennutzungsplanung Kaiserslautern: Bevölkerung – Struktur, Entwicklung, Prognose, Teilabschnitt zum Erläuterungsbericht des Flächennutzungsplanes der Stadt Kaiserslautern, Kaiserslautern 1980.
- Braun, Fritz: Auswanderer auf dem Schiff „Samuel M. Fox“ – Ankunft New York 4. August 1852, Neustadt a.d. Aisch 1965 (=Schriften zur Wanderungsgeschichte der Pfälzer 21).
- Braun, Fritz: Auswanderung aus Kaiserslautern im 18. Jahrhundert, (=Schriften zur Wanderungsgeschichte der Pfälzer), Kaiserslautern 1965. [ v.a. Passagierliste des Schiffs mit u.a. Kaiserslauterern]
- Bürgerbuch der Stadt Kaiserslautern 1597-1800, bearb. von Fritz Braun und Frank Rink, Kaiserslautern 1965 (=Veröffentlichung des Stadtarchivs Kaiserslautern 1). [für den Zeitraum vom 12. zum 16. Jahrhundert findet sich Editionsliste bei Christmann/Friedel, 1970, S. 331-462]
- Christmann, Ernst: Bevölkerungs-Entwicklung Kaiserslautern, In: Kaiserslautern einst und jetzt – Beiträge zur Geschichte der Großstadt Kaiserslautern von der Vor- und Frühgeschichte bis zu den heutigen Flur- und Straßennamen, hrsg. von ders. und Heinz Friedel, Kaiserslautern 1970 (= Schriften zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern 12), S. 328-330.
- Gerlach, Bernhard/Paul, Roland: Von Kaiserslautern nach Gurs – Auschwitz – Majdanek – Theresienstadt und andere Lager – Kaiserslauterer Juden als Opfer der Verfolgung in der Nazizeit 1938-1945, Kaiserslautern 1999, 7. Auflage.
- Herzog, Heinrich: Kaiserslauterer in auswärtigen Kirchenbüchern, In: Pfälzisch-Rheinische Familienkunde 29/9 (1980), S. 480–487.
- Höhn, Maria: Zwischen Besatzung, Amerikanisierung und dem Kampf um die Bürgerrechte – Die Stationierung von US-Streitkräften in Westdeutschland ab 1950 als Sonderfall der Migration in die Pfalz, In: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 109 (2011).
- Kißener, Michael: Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Leinfelden-Echterdingen 2006.
- Scherer, Karl: Friedrich Ludwig Henop und Johann Thomas Schley – Zwei Wegbereiter der amerikanischen Unabhängigkeit, In: Pfälzer in Amerika – Palatines in America, hrsg. von Roland Paul und Karl Scherer, Kaiserslautern 1995, S. 169-175.
- Scherer, Karl: Johann Peter Saling – Der „weiße Indianer“ aus Kaiserslautern, In: Pfälzer in Amerika – Palatines in America, hrsg. von Roland Paul und Karl Scherer, Kaiserslautern 1995, S. 167-169.
- Steinebrei, Hans: 300 Jahre Auswanderung aus Otterberg, Kaiserslautern 1999 (= Schriften zur Wanderungsgeschichte der Pfälzer 41).
Erstellt: 10.02.2012
Anmerkungen:
- Bürgerbuch, S. 349 und Christmann, Bevölkerung, S. 328. Zurück
- Hierzu Herzog, Kirchenbücher und Bürgerbuch, S. 352ff. Zurück
- Bürgerbuch, S. 352ff, einige Auswandererdaten und Kurzbiographien sind zwischen S. 355-373 zusammengetragen; es finden sich auch viel Listen zur Auswanderung und einige Briefe zu Ottererberg (und auch Kaiserslautern) bei Steinebrei, Auswanderung. Zurück
- Christmann, Bevölkerung, S. 328. Zurück
- Gerlach/Paul, Liste, Verfolgung. Zurück
- Höhn, Stationierung. Zurück