Hinweise
- Ortsgeschichte von Koblenz
- Auswandererdatei des Stadtarchivs Koblenz
- Auswanderer-Datenbank des LA Koblenz
- Auswandererhandbuch für die Migration nach Texas aus dem Raum Koblenz von 1846
- Geheime Geschichte von Coblenz während der französischen Revolution von Montgaillard 1795
- Statistische Nachrichten über den Regierungsbezirk Coblenz von 1861
- Verzeichnis der Koblenzer Auswanderungsagenturen im Adressbuch der Stadt Koblenz
Weblinks
Ortsübersicht
Die Auswanderung aus Koblenz
Die ersten Quellen über die Bevölkerungsstruktur in Koblenz sprechen im 14. Jahrhundert von etwa 650 Familien, was knapp 2.000 Einwohnern entspricht. Diese Anzahl der Bewohner ist für eine Stadt im Spätmittelalter recht groß. Nachweislich wuchs die Stadt 1440 auf 2.300 Einwohner an.[Anm. 1] Die Bevölkerungs- und Sozialstrukturen der Festungsstadt am Rhein blieb während der Frühen Neuzeit konstant, jedoch fehlte der Stadt der Wohnraum für ein größeres Bevölkerungswachstum. Es entwickelten sich im 18. Jahrhundert zwischen Koblenz und dem nahe umliegenden Land verschiedene Migrationsbewegungen. Ein Drittel der Stadtbevölkerung über 15 Jahren war nicht in Koblenz geboren, es zogen vor allem Jugendliche und junge Erwachsene in die Stadt.[Anm. 2] Fast die Hälfte aller Zuwanderer kamen aus den Ortschaften im Umkreis von 25km um Koblenz herum. Nur etwa 15% aller Zuwanderer legten über 120km zu ihrer neuen Heimatstadt zurück. Zwischen 1737 und 1797 wurden 43% der vergebenen Bürgerrechte von Zuwanderern erworben. So kam Koblenz am Ende der Frühen Neuzeit auf ungefähr 9.300 Einwohner.[Anm. 3]
Während der französischen Revolution erlebte Koblenz eine schwere Zeit. Die geo-politische Lage der Stadt hatte sich zu ihren Ungunsten verschoben.[Anm. 4] Als nun französische Stadt war Koblenz weit entfernt von anderen französischen Städten, lag aber nahe an der deutschen Zollgrenze und hatte daher mit vielen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Das moderate Bevölkerungswachstum von ca. 1,5% bis 1837 war ein Resultat der Nöte aus der Revolutionszeit.[Anm. 5]
Bis 1844 lässt sich für Koblenz dennoch keine Auswanderung feststellen. Erst in Folge von schweren Missernten 1846/47 kam es zu der ersten Koblenzer Auswanderungswelle, die ihren Höhepunkt schon 1849 erreichte, aber bis 1860 anhielt. In diesen ersten Migrationsbewegungen, vor allem Richtung Amerika, wanderten besonders jüngere Koblenzer aus, der Altersschwerpunkt liegt zwischen 16 und 34 Jahren. Stark vertreten unter den Auswanderern waren Handwerker, Kaufleute sowie etliche Landwehrleute, die wegen den Folgen der Revolution von 1848/49 emigrierten. Diese erste Koblenzer Auswanderungswelle hatte als Hauptursachen den allgemeinen Bevölkerungsdruck, die häufigeren Missernten und Ernährungskrisen sowie Krisenzeiten auf dem protoindustriellen Arbeitsmarkt. Es wanderten daher hauptsächlich Menschen aus, die keine persönliche Perspektive mehr für sich in Koblenz sahen.[Anm. 6]
Die zweite Auswanderungswelle aus Koblenz kam zwischen 1875 und 1885. Diese Migrationsbewegung war nicht mehr gezeichnet von einem generellen Elend in der Stadt, sondern die Auswanderer hatten konkrete Ziele in ihren neuen Heimaten und wurden nicht mehr aus Not zur Emigration gezwungen.[Anm. 7] Es entwickelte sich in Koblenz der floriende Wirtschaftszweig des Auswanderungsbüros, das sich um die Überfahrten nach Amerika kümmerte. Der Koblenzer Arbeitsmarkt wurde durch die Emigration entlastet, er verlor aber auch viel Kapital, Know-How und Arbeitspotenzial.[Anm. 8] Bis 1891 hatte das Rayongesetz die Schleifung der Festungsmauern für mehr Wohnraum der Bevölkerung verhindert. Danach war es der Stadt nun auch möglich, über die Festung hinaus zu wachsen. Die Bevölkerung nahm daraufhin rasch zu, die Lebensqualität stieg und die Zahlen der Auswanderungen aus Koblenz ebbten merklich ab.[Anm. 9]
Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg kam es in Koblenz wieder zu einer vermehrten Auswanderung, jedoch meist nur weg von den linksrheinschen Besatzungsbehörden und nicht mehr transnational. Viele Ausweisungen der Alliierten taten ihr Übriges.[Anm. 10] Während der NS-Diktatur gingen einige der jüdischen Gemeindemitglieder in die Zwangsemigration, etliche jedoch blieben, sodass 1942 insgesamt 337 Juden aus der Stadt deportiert wurden.[Anm. 11] Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich viele Vertriebene aus dem Osten in Koblenz an, so dass die Bevölkerung von 1950 bei 66.444 auf 97.729 im Jahr 1970 steigen konnte. Eine kleine Phase einzelner Abwanderungen aus Koblenz gab es noch einmal zwischen 1974 und 1988.[Anm. 12]
Nachweise
Verfasser: Yves V. Grossmann
Verwendete Literatur:
- "Coblenzer sind gewiß über 80 in New-York". Der Brief des Amerika-Auswanderers Louis Hoppe an seine Verwandten in Koblenz vom 12. Juni 1852. Bearbeitet von Dieter Kerber, Hans-Peter Kleber, Michael Koelges und Hans Josef Schmidt. In: Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur N. F. 2 (1992), S. 9-68.
- Bellinghausen, Hans (Hrsg.): 2000 Jahre Koblenz – Geschichte der Stadt an Rhein und Mosel, Boppard am Rhein 1973, 2. Auflage.
- Förster, Dirk; Freiheit, André; Noch, Oliver; Stolle, Julia: Die Auswanderung im 19. Jahrhundert und der Wirtschaftsraum Koblenz/Neuwied, In: Wirtschaftliche Entwicklung im Raum Koblenz/Neuwied, hrsg. von Corinna Mergelsberg und Adolf-Friedrich Jacob, Vallendar 1995, S. 57-87.
- François, Etienne: Bevölkerungs- und Sozialstrukturen im 18. Jahrhundert, In: Geschichte der Stadt Koblenz – Von den Anfängen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, Band 1, hrsg. von der Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Stuttgart 1992.
- François, Etienne: Population et societe a Coblence au XVIIIe siecle, Nancy 1974, zugl. Diss. Nancy II 1974.
- Geschichte der Stadt Koblenz – Von den Anfängen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, Band 1 und 2, hrsg. Von der Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Stuttgart 1992/3.
- Graafen, Richard: Die Aus- und Abwanderung aus der Eifel in den Jahren 1815 bis 1955 : eine Untersuchung der Bevölkerungsentwicklung eines deutschen Mittelgebirges im Zeitalter der Industrialisierung, Bad Godesberg 1961 (=Forschungen zur deutschen Landeskunde 127).
- Graafen, Richard: Die Bevölkerung im Kreise Neuwied und in der Koblenz-Neuwieder Talweitung 1817 – 1965, Bad Godesberg 1969.
- Kerber, Dieter: Bürger und Einwohner im Mittelalter, In: Geschichte der Stadt Koblenz – Von den Anfängen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, Band 1, hrsg. von der Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Stuttgart 1992.
- Kißener, Michael: Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Leinfelden-Echterdingen 2006.
- Koblenzer Beiträge zur Geschichte und Kultur N.F. 2 – Themenschwerpunkt Auswanderung, redak. Ingrid Bátori u.a., Koblenz 1992.
- Köhler, Franz-Heinz: Die Bevölkerungsentwicklung, In: Geschichte der Stadt Koblenz – Von der französischen Stadt bis zur Gegenwart, Band 2, hrsg. von der Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Stuttgart 1993, S. 319-337.
- Listen der aus der Stadt Koblenz und dem Landkreis Koblenz 1942 deportierten Juden, In: Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, Band 7, Koblenz 1974, S. 263-282.
- Montgaillard, Jean Gabriel Maurice Rocques de: Geheime Geschichte von Coblenz während der französischen Revolution, Frankfurt 1795, [http://miami.uni-muenster.de/servlets/DocumentServlet?id=380].
- Resmini, Bertram: Die jüdische Gemeinde seit der Wiederansiedlung 1518, In: Geschichte der Stadt Koblenz – Von den Anfängen bis zum Ende der kurfürstlichen Zeit, Band 1, hrsg. von der Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Stuttgart 1992.
- Statistische Tabellen zur Bevölkerungsentwicklung, In: Geschichte der Stadt Koblenz – Von der französischen Stadt bis zur Gegenwart, Band 2, hrsg. von der Energieversorgung Mittelrhein GmbH, Stuttgart 1993, S. 608-612.
- von Ehrenkreutz, B.: Vollständige Beschreibung des Staates Texas in historischer, politischer, geographischer und geselliger Hinsicht: ein Handbuch für die Auswanderer nach diesem Staate, mit besonderer Berücksichtigung derjenigen, welche sich bei ihrer Auswanderung unter den Schutz des Mainzer- oder Antwerpener-Vereins zu begeben, beabsichtigen ; nebst einer Spezialkarte von Texas, Koblenz 1846.
Erstellt: 26.09.2011
Anmerkungen:
- Die genauen Bürgerlisten von 1366 sind leider nicht mehr überliefert, erst 1440 setzt die heutige Überlieferung ein, Kerber, Bürger und Einwohner, S. 271f. Zurück
- Etienne, Bevölkerungs- und Sozialstrukturen, S. 288 und ganz generell ders. Population et societe de Coblence. Zurück
- Etienne, Bevölkerungs- und Sozialstrukturen, S. 286 und 289ff. Zurück
- Vgl. hierzu auch die zeitgenössischen Berichte von Montgaillard, Geheime Geschichte. Zurück
- Förster, Auswanderung, S. 62ff und 68. Zurück
- Ders. S. 74ff und allgemeiner Ehrenkreutz. Zurück
- Förster, Auswanderung, S. 75 und 81ff. Zurück
- Ders. S. 82ff. Zurück
- Ders. S. 62f. Zurück
- Köhler, Bevölkerungsentwicklung, S. 331. Zurück
- Siehe hierzu die vollständig edierte Liste der Deportierten aus Koblenz und Resmini, Jüdische Gemeinde. Zurück
- Köhler, Bevölkerungsentwicklung, S. 334ff. Zurück